frédéric kastner *10. august 1852 in straßburg, hat einen echten knaller erfunden: das pyrophon, auch feuer- oder explosionsorgel genannt
zeitgenossen berichten, frédéric kastner sei immer kränklich, nach dem frühen tod seines vaters etwas labil und auch „kein angesehener physiker“ gewesen, aber seine reiche und einflussreiche mutter, eine ebenfalls musikalisch begabte schaupielertochter, habe ihm ein labor eingerichtet, damit er beschäftigt war und kein „unheil anrichtete“…
der junge kastner hatte schon verschiedene kleine dinge erfunden, bevor er sich an seine orgel machte. für die entwicklung des „pyrophons“ kam ihm die entdeckung des irischen chemikers bryan higgins zugute, der 1777 festgestellt hatte, dass eine am unteren ende einer glasröhre positionierte wasserstoffflamme einen ton erzeugen kann, und sein musikalisches wissen (sein vater war der komponist jean georges kastner). im prinzip funktionierte sein pyrophon wie jede andere orgel, bei der die größe und form der pfeifen die tonhöhe reguliert und eine tastatur als musikalische schnittstelle fungiert. der unterschied besteht darin, dass die töne hier nicht durch luftdruck erzeugt werden, sondern mittels kleiner gasflammen durch verbrennung, also durch die explosionen, die die gase durch die glasröhren treiben (der gewünschte ton entsteht, in dem durch das niederdrücken der tasten die große flammen in den röhren in einzelne flämmchen geteilt werden).
1873 war die feuerorgel vorführfertig, kastner schrieb ein buch: „die singenden flammen“ („les flammen chantantes. théorie des vibrations et considérations nur l`électricite) und hector berlioz, cesar franck und charles gounod besuchten ihn, um sich das instrument anzuhören. und léonie kastner versuchte, die erfindung ihres sohnes zu vermarkten. zu ihren vielen bekannten gehörte henry dunant, der schweizer sozialaktivist, der das rote kreuz gegründet, die genfer konvention inspiriert und später den ersten friedensnobelpreis erhalten sollte. in der mitte der 1870er-jahre war dunant aber ziemlich „abgebrannt“ und nahm gegen zahlung von 50000 franc gern den auftrag von kastners mutter an, das pyrophon zu vermarkten. im februar 1875 kündigte dunant es in der royal society of arts mit den blumigen worten an: „man kann wirklich sagen, dass der klang des pyrophons dem klang der menschlichen stimme ähnelt … wie ein eco der inneren schwingung der seele, etwas mysteriöses und undefinierbares… außerdem besitzt es einen charakter der melancholie, die für alle natürlichen harmonien charakteristisch erscheint“. gespielt wurde an diesem tag ein arrangement von „god, save the queen“ von theodore lack (einer der wenigen, die tatsächlich musik speziell für das pyrophon geschrieben hat). aber selbst mit patriotischer musik und mit dunants hilfe wurde das instrument kein großer erfolg, zumal eines der ersten pyrophone bei einem konzert explodierte und frédéric kastner schon 1882 mit 29 jahren starb.
dunants exemplar landete im museum. aber es gibt immer wieder mal versuche, kastners pyrophon und ähnliche „feuerorgeln“ nachzubauen oder neu zu gestalten. auf youtube kann man sich beispiele anhören (https://youtu.be/iuCJxqyATT0).
sie klingen eher nach „buckelwal vor einer death-metal-band“ (andy cavatorta) als nach „leidenschaftlichem menschlichen flüstern“ (henry dunant), aber in jedem fall sehr aufregend!




