Ich brauche Menschen …

Lisa Baumfeld (1877–1897). Die lyrisch begabte einzige Tochter des Wwiener Bankdirektors Isidor Baumfeld und seiner Frau Paula wurde nur 19 Jahre alt.
Ein Band mit ihren Gedichten erschien posthum.

In Schönheit
… Doch aus dem Spiegel trat – beklemmend nahe
Mein eig’nes Bild.
Ich hab‹ so oft geträumt
Von blonder, stiller, märchenheller Schönheit,
Daraus sich meine Seele weben sollt‹,
Die ätherleichte, scheue Gliederhülle, –
Denn meine Seele ist unendlich still
Und traumhaft blond, und weinend schön und innig …
Doch aus dem Spiegel trat das eig‹ne Bild
So schmerzlich anders mir entgegen …
Dunkel
Brannt‘ in dem Blick die braune Thränenflut,
Die schwere, ungeweinte … Auf der Stirne
Sah ich es huschen … wie Gespensterhauch
Und wie das Stöhnen ungebor‹ner Lieder …
Und in den Runen um den strengen Mund
Sah ich die Krämpfe stummer Qualen zucken
Und nah‹ dem Auge tiefe Spuren blau‹n,
Wie von der Tragik durchgewachter Nächte …
Es war ein schmerzlich düst‹res Spiegelbild
Und dennoch schön.
Von jener fahlen Schönheit,
Die schluchzend sich aus off‹nen Wunden ringt …
Mein blasses Spiegelbild! Du darfst nicht klagen!
Du musst die Wunden deiner Schönheit tragen.
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Ich brauche Menschen …
Ich brauche Menschen! Ja – in hellen Zimmern,
Erfüllt von Düften, Lächeln, Fächeln, Flimmern,
Wo schlank geformt – leichtwiegende Gedanken
Von Mund zu Mund sich lachend, blühend ranken!
Ich brauche Menschen … seid‹ner Schleifen Rauschen
Und Blicke, die sich sorglos spielend tauschen,
Und Worte, die ob tausend Kelchen schweifen
Und manchmal scheue, süße Beeren streifen –
Und Töne, die wie flücht‹ge Küsse drängen
Und sich an lauschend bange Ohren hängen
Und bunte Wolken in die Blicke stäuben
Und blenden, schmeicheln, lügen und betäuben
Und all das Leere, Schwere überhallen …
– – Stöhnst du, mein Herz, daß wir so tief gefallen?

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Du sagtest
Du sagtest mir in jener Stunde
Dass meine Seele reich ist …
Ich glaube fast, dass mir im Grunde
Nur alles, – alles – gleich ist.
Ich freu‹ mich jeder Seelenblüte,
Die fremden Athem haucht,
Seit jeder Kelch, der mir entglühte,
Erstarrt ist und verraucht …
Und fremde Blumen muss ich warten,
– Das lag mir einst so fern! –
…. Weil ich den eig‹nen, todten Garten
Vergessen will, so gern – – !
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An …
Um deine süße, grüne Seele
Ist mir so weh!
Daß ich sie dir im Frühling quäle
Mit Frost und Schnee.
Du Kind, das froh dem Sonnenleben
Entgegenblüht,
Mich hat das kranke Mondesweben
So bleich geglüht …
Bleib‹ du! bleib‹ du an meiner Seite,
Mir ist so bang!
So lang, bis ich ins große Dunkel gleite!
– Vielleicht nicht lang -.

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