takamura chieko (1886–1938) ist zumindest in japan für ihre (wie ich finde wunderschönen) bilder und scherenschnitte und ihre gedichte bekannt und für die gedichte, die ihr mann über sie schrieb. sie gehörte zu den wenigen frauen, die in der konservativen patriarchalischen japanischen gesellschaft offen feministische positionen bezog, 1911 die feministische zeitung „seitō“ (blaustrumpf) mitgründete und 1914 ihren ebenso unkonventionellen „seelenverwandten“, den bildhauer kōtarō takamura heiratete.
1931 wurde bei chieko schizophrenie diagnostiziert. ihre erkrankung muss auch für ihren mann quälend gewesen sein, er verlor die chieko, die er kannte, während sie noch da war. 1932 versuchte sie sich umzubringen, wurde zunehmend gewalttätig und verwirrt, litt unter halluzinationen, und ihm blieb nichts übrig, als sie in eine anstalt einweisen zu lassen. hier starb sie 1938 an einer lungenentzündung infolge einer tuberkulose.
zwei frühe gedichte kōtarō takamuras über chieko und zwei aus der zeit, als sie ihm und der welt immer mehr verloren ging:
Mit der Ehrlichkeit Ihres Kindes
Du hast ein edleres Selbst erkannt
Im endlosen Schmutz meines Lebens.
An eine Frau in den Vororten
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Ich bin so ehrlich wie das Gras und die Bäume,
Ah, wie gut hast du das gesehen!
Du lebst wirklich,
Du bist wie ein wogendes, anschwellendes Meer…
Die Quellen der Menschheit
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Meine halb verrückte Frau breitet sich im Gras aus,
Schwer auf meinen Arm gestützt,
Schluchzend wie ein untröstliches Mädchen.
Es wird nicht mehr lange dauern, ich breche zusammen…
… Ich starre meine Frau an, ohne zu sprechen.
Sie blickt zum letzten Mal vom Rand des Bewusstseins zurück
Und klammert sich an mich.
Nichts kann mir jetzt meine Frau zurückbringen.
Mein Herz bricht entzwei, entgleitet
Und wird eins mit der Welt, die uns still umgibt.
Ein Paar unter einem Berg
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Außergewöhnliche Chieko
Chieko sieht, was man nicht sehen kann,
Hört, was nicht zu hören ist.
Chieko geht dorthin, wo sonst niemand hingehen kann,
Tut, was sonst niemand kann.
Chieko sieht das physische Ich nicht,
Sie sehnt sich nach dem Ich hinter mir.
Chieko hat die Last des Schmerzes abgenommen
Und trieb in ein Reich der Anmut und Schönheit.
Ich höre ihre Stimme immer wieder nach mir rufen
Aber Chieko hat keine Eintrittskarte in die Menschenwelt mehr




