Aktion Osoawiachim

am 22. oktober 1946 wurden tausende ostdeutsche wissenschaftler und spezialisten in einer nacht-und-nebel-aktion abgeholt und heimlich in die sowjetunion geschafft 

der sohn eines betroffenen: „frühmorgens klopfte es an der tür und zwei offiziere und ein soldat eröffneten ihm: „auf befehl der sowjetischen militäradministration müssen sie fünf jahre in ihrem fach in der sowjetunion arbeiten. sie werden ihre frau und ihr kind mitnehmen. sie können von ihren sachen so viel mitnehmen, wie sie wollen. packen sie!“ 

insgesamt waren es um die 6.500 personen, die an diesem tag in der, von manchen „aktion osoawiachim“ (oсоавиахим) genannten, geheimoperation mit sack und pack (von möbeln bis zu kühen), meist unfreiwillig, in die sowjetunion verbracht wurden – fachkräfte zb. von junkers in dessau, von bmw in staßfurt, von siebel in halle, heinkel in rostock, montania in nordhausen, von carl zeiss jena und den askania-werken in berlin. das „lebende reparationsgut“ wurde auf verschiedene orte aufgeteilt (die insel gorodomlija, kujbyschew, tuschino bei moskau usw.) und die spezialisten in arbeitsgruppen zusammengefasst: atom- und raketenforschung (hier u.a. der spätere ddr-minister erich apel), optik, fahrzeug- und flugzeugbau, chemische industrie, waffentechnik.

denn nachdem sich die amerikaner bereits die rosinen aus dem pool der deutschen wissenschaftler herausgepickt hatten (siehe wernher von braun u.a.), wollten auch die sowjets deutsches fachwissen abschöpfen. anfangs geschah das direkt in der sbz, so arbeitete helmut gröttrup, der frühere assistent von brauns aus peenemünde bereits hier für die russen weiter an der v2-rakete. aber da die rüstungsproduktion auf deutschem boden nach dem potsdamer abkommen verboten war, befand stalin die verlagerung der betriebe samt ihrer fachleute als die strategisch viel bessere lösung, auch, da es galt, die in ostdeutschland als reparationsleistung demontierten anlagen in der sowjetunion wieder funktionstüchtig zu machen. 

verglichen mit den sowjetbürgern und denen in der ddr ging es diesen fachleuten und ihren familien gut. die deutschen wurden, wenn auch isoliert, anständig untergebracht (die wohnungen wurden nach hierarchie vergeben), bekamen ordentliche arbeitsverträge, verdienten mehr als ihre ortskollegen, man ließ sie in den urlaub fahren oder das theater besuchen (allerdings kam immer ein bewacher mit), es gab mehr zu essen als in ost-deutschland und sie konnten in ihren spezialgebieten arbeiten. „für viele war es ein goldener käfig, es ging den leuten gut, bis auf die ungewissheit“, so ein betroffener. 

ab september 1950 durften die ersten, weniger wichtigen, in ihre heimat zurückkehren. nach stalins tod 1953 folgte ein ganzer schwung. für alle erstaunlich wurde jeder gefragt, ob er in die ddr, in die brd oder nach österreich wolle. die, die in die ddr gingen, erhielten dort meist leitende stellungen und ihre familien bevorzugt wohnraum. die letzten kehrten 1958 zurück, es waren die familien, die in die bundesrepublik gewollt hatten. 

der beitrag einiger dieser leute zur entwicklung beispielsweise der raketen- und raumfahrttechnik wurde erst nach dem fall der mauer und der sowjetunion so richtig bekannt. bis dahin war das thema tabu gewesen, die „spezialisten“ hatten sich nach ihrer rückkehr verpflichten müssen, über ihre zeit in der udssr zu schweigen und die sowjets feierten sich selbst für die erfolge.

foto: die leiter der forschungsabteilung von (ex-)telefunken in berlin, nun „labor-konstruktionsbüro und versuchswerk oberspree“ im frühjahr 1946; 230 der mitarbeiter mussten am 22. oktober mit in die sowjetunion.

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