die phantasie der menschen, auch die perverse, scheint grenzenlos. sehr wahrscheinlich hat es nie ein reales „katzenklavier“ oder eine „katzenorgel“ gegeben, aber als fiktionales instrument taucht es schon lange vor erfindung des klaviers auf, 1658 als illustration in caspar schotts „magia universalis naturae et artis“ und 1696 in johann theodor de brys „emblemata“. auf der ersteren unter einer abbildung mit singenden eseln, auf der zweiten inmitten eines ensembles aus tieren und musikern.
wie soll das ominöse katzenklavier funktioniert haben? die älteste (bekannte) beschreibung findet sich bei dem französischen komponisten und musikforscher jean-baptiste weckerlin, der in seinem werk „musiciana, extraits d’ouvrages rare ou bizarre“ den bericht des historikers juan christoval calvete von 1552 zitiert, der felipe II auf seinen reisen begleitet hatte:
„als der könig von spanien felipe II 1549 in brüssel seinen vater, kaiser karl V, besuchte, sah jeder den anderen jubelnd über den anblick einer ganz einzigartigen prozession (…) das merkwürdigste befand sich auf einem triumphwagen, der die einzigartigste musik trug, die man sich vorstellen kann. auf ihm stand ein bär, der eine orgel spielte; statt pfeifen jedoch sah man sechzehn katzen, ihr körper verborgen, nur die köpfe waren sichtbar. die schwänze streckten heraus und wurden festgehalten wie die saiten eines pianos. wenn eine taste auf der tastatur gedrückt wurde, wurde der entsprechende schwanz hart gezogen, und es erzeugte jedes mal ein beklagenswertes miauen…“
auch wenn das alles wohl nur erfunden war, eine art fiktiver nervenkitzel, findet sich das katzenklavier und davon abgeleitet der begriff „katzenmusik“ auch in späteren beschreibungen wieder, nun mit noch drastischerer „funktionsweise“. so im werk „musurgia universalis“ des deutschen universalgelehrten athanasius kircher, der auf der suche nach einer „natürlichen“, den harmonien des universums entsprechenden musik, und nach ihrer therapeutischen wirkung, hier 1650 seine ansichten zur musik und affektenlehre darlegte und folgende geschichte kolportierte:
„um die stimmung eines italienischen prinzen zu heben, der von den sorgen seiner position belastet war, schuf ein musiker für ihn ein katzenklavier. der musiker wählte katzen aus, deren natürliche stimmen in unterschiedlichen tonhöhen waren, und ordnete sie so nebeneinander in käfigen an. wenn eine taste auf dem klavier gedrückt wurde, trieb ein mechanismus einen scharfen dorn in den schwanz der entsprechenden katze. das ergebnis war eine melodie von miauen, die immer heftiger wurde, je verzweifelter die katzen wurden. wer konnte nicht anders, als über solche musik zu lachen? so wurde der prinz aus seiner melancholie erweckt…“ (dritte abbildung)
drei generationen später, um 1725, unternahm der französische mathematiker louis-bertrand castel ein anderes gedankenexperiment mit dem instrument. castel hatte ein (ebenso theoretisches) augenklavier oder farbenklavier entwickelt, das optische und akustische effekte koppelte und versuchte nun nachzuweisen, dass es in der musik auf die kombination von klängen ankomme, nicht auf die klänge selbst. dass man aus den individuell hässlichen klagen gequälter katzen musik machen könne, beweise, dass „klänge für sich genommen keine schönheit besitzen, und alle schönheiten der musik nicht vom klang herrühren, sondern von der melodischen abfolge und der harmonischen kombination der klänge“.
ähnlich wie athanasius kircher 150 jahre vor ihm präsentierte johann christian reil (der erfinder des begriffs „psychiatrie) 1803 in der abhandlung „rhapsodieen über die anwendung der psychischen curmethode auf geisteszerrüttungen“ das katzenklavier wiederum als hypothetische lösung für träumer und melancholiker, die nicht in der lage sind, ihre aufmerksamkeit auf die außenwelt zu richten oder sich zu konzentrieren. würde man nun aber eine fuge auf den katzenklavier spielen und den kranken so platzieren, dass er den gesichtsausdruck und das spiel der tiere nicht übersehen könne, würde das selbst lots frau aus ihrem erstarrten zustand wieder zu bewusstsein bringen; soll heißen: dadurch, dass die aufmerksamkeit des patienten zwangsläufig auf das instrument gerichtet wird, werde er geheilt. eine art „musiktherapie“.
crescendo et rinforzando, und so weiter auf der klaviatur. aber dann kamen ja zum glück siggi freud & co und das katzenklavier ist wieder in der versenkung verschwunden:) ende.



