„Rassenschande“-Urteil

leo katzenberger, geboren am 25. november 1873, war schuhgroßhänder und zeitweise vorsitzender der orthodoxen gemeinde adas israel in nürnberg. 1942 wurde er auf grundlage einer einzelnen anzeige nach einem schauprozess wegen „rassenschande“ hingerichtet – es war das einzige todesurteil, das aufgrund der nürnberger gesetze gesprochen wurde (sein anwalt, seine frau und seine geschwister wurden deportiert und ermordet). katzenbergers „arische“ mitangeklagte irene seiler wurde zu zwei jahren zuchthaus verurteilt. sie sagte 1947 im nürnberger juristenprozess als belastungszeugin aus, lebte später in der ddr und starb 1974. oswald rothaug, der vorsitzende richter in dem verfahren, wurde zu lebenslanger freiheitsstrafe verurteilt und zehn jahre später vorzeitig entlassen. der fall inspirierte u.a. stanly kramer zu seinem spielfilm „das urteil von nürnberg“.

Urteil

Im Namen des deutschen Volkes!

Das Sondergericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth erkannte in der Strafsache gegen

K a t z e n b e r g e r  Lehmann Israel, gen. Leo, Kaufmann und Vorstand der israelischen Kultusgemeinde in Nürnberg und

S e i l e r, Irene, Photogeschäftsinhaberin in Nürnberg, beide in Untersuchungshaft, wegen Rassenschande und Meineids in öffentlicher Sitzung am 13. März 1942 (…)

eine Verurteilung zu Recht wie folgt: 

Katzenberger: wegen eines Verbrechens nach § 2, rechtlich zusammentreffend mit einem Verbrechen nach § 4 der VO. gegen Volksschädlinge in Verbindung mit einem Verbrechen der Rassenschande zum Tode unter Aberkennung der in §§ 32-34 des StGB bezeichneten Rechte auf Lebenszeit.

Seiler: wegen eines Verbrechens des Zeugenmeineides zur Zuchthausstrafe von zwei Jahren unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von zwei Jahren.

(…)

Der Angeklagte Katzenberger ist überführt, nach dem Inkrafttreten des Blutschutzgesetzes, das ist nach § 7 dieses Gesetzes nach dem 17. Sept. 1935, als Jude mit einer Staatsangehörigen deutschen Blutes außerehelichen Verkehr gepflogen zu haben. Er hat auf Grund eines einheitlichen, von Anfang an auf Wiederholung gerichteten Vorsatzes gehandelt. Katzenberger ist mithin eines – fortgesetzten Verbrechens der Rassenschande nach §§ 2 und 5 Aber II des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 schuldig zu sprechen.

Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts ergibt, daß der Angeklagte Katzenberger bei seinem Treiben darüber hinaus allgemein die außergewöhnlichen, durch den Kriegszustand verursachten Verhältnisse ausgenutzt hat. Stadt und Land sind weithin ohne Männer, die infolge ihrer Einberufung zum Heere oder für andere Zwecke der Wehrmacht verhindert, zu Hause tätig zu sein und so für Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen. (…) Unter diesem Gesichtspunkt gesehen, ist das Verhalten des Katzenberger besonders verwerflich. In Verbindung mit dem Verbrechen der Rassenschande war er sonach auch wegen eines Verbrechens nach § 4 der VO. gegen Volksschädlinge schuldig zu sprechen. (…)

In mehreren Fällen schlich sich der Angeklagte Katzenberger seit Kriegsausbruch 1939 nach Einbruch der Dunkelheit in die Wohnung der Seiler. In diesen Fällen wurde der Angeklagte im Schutze der zur Abwehr von Fliegergefahr getroffenen Maßnahmen tätig, indem er die Verdunkelung ausnutzte. (…) Diesen Umstand nützte er jedesmal in voller Erkenntnis seiner Bedeutung aus; instinktiv entzog er sich bei seinen Unternehmungen so der Beobachtung durch die Straßenbenutzer.

(…)

Die Rassenschande des Juden stellt einen schweren Angriff auf die Reinheit des deutschen Blutes dar, der rassenschändende Angriff ist gegen den Leib der deutschen Frau gerichtet.

(…)

Das Gericht erachtet es für geboten, als einzige mögliche Antwort auf die Frivolität des Angeklagten gegen ihn die in Anwendung des § 4 der VO. gg. Volksschädlinge vorgesehene schwerste Strafe, die Todesstrafe auszusprechen.

(…)

gez. Rothaug, Dr. Ferber, Dr. Hoffmann

Nürnberg, den 23. März 1942

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