Hungerkosten-Erlass

30. november 1942: das bayrische innenministerium zeichnet den „hungerkosten-erlass“

nach der einstellung der organisierten krankenmorde im rahmen der aktion T4 hatten die deutschen heil- und pflegeanstalten nach august 1941 keine effektiven mittel mehr, „unwerte“ patient*innen loszuwerden. zudem hatten sie das problem, dass ihnen das personal (die männer wurden an die front geschickt) und die tötungsmedikamente (morphium-scopolamin) ausgingen und die grundnahrungsmittel nicht mehr nur für patienten, sondern für alle zunehmend rationiert wurden. und so ging das morden auch ohne vorgaben der vernichtungszentrale in berlin auf andere perfide weise weiter…

valentin faltlhauser, direktor der bayerischen heil- und plegeanstalt kaufbeuren-irsee hatte (neben den todesspritzen) schon seit dem sommer 42 mit einer so genannten hunger- oder entzugskost, auch e-kost (euthanasie-kost) genannt, experimentiert, einer völlig fett- und vitaminfreien „ernährung“ aus abgekochtem gemüse und wasser, bei der man nur ein paar wochen warten musste, bis die patienten ohne weiteres zutun starben. am 17. november 42 stellte der psychiater die anwendung zur „unauffälligen art der krankenbeseitigung“ auf der konferenz der bayerischen anstaltsdirektoren vor. und am 30. november beschloss das bayerischen staatsministerium des innern offiziell, dass anstaltsinsassen, die keine „nennenswerte nutzbringende arbeit“ leisteten, nur noch diese e-kost erhalten sollten…

der anstaltspfarrer von irsee: „der anblick der ausgemergelten, weißgelblichen gstalten auf den stationen war kaum zu ertragen. die kranken waren zum teil nicht mehr imstande, sich von ihrem platz zu erheben, und bei besuchen auf den stationen konnte man sich des bettelns um brot kaum mehr erwehren. ich habe bis dahin in meinem leben (…) noch nie so viel tränen vergießen sehen wie in dieser zeit.“

die t4-krankenmorde hatten 70.000 menschenleben gekostet. mit der „e-kost-therapie“ kamen etwa 130.00 hinzu. aber auch am ende des „dritten reiches“ gab es keine wirkliche zäsur, die forschung geht von weiteren etwa 20.000 todesfällen nach mai 1945 aus; der grund: unterernährung, personelle kontinuitäten in den anstalten und gleichgültigkeit der besatzungsbehörden.

valentin faltlhauser wurde 1949 wegen „anstiftung zur beihilfe zum todschlag in mindestens 300 fällen“ zu lächerlichen drei jahren haft verurteilt, aber selbst dieses urteil nie vollstreckt. faltlhauser wurde 1954 vom bayrischen justizminister begnadigt, er bekam seine pension zurück und starb 1961 im altersheim.

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