16.12.1921 – todestag camille saint-saëns
der franzose hat über 600 stücke hinterlassen, aber ausgerechnet sein populärstes werk – „der karneval der tiere“ (youtu.be/k2RPKMJmSp0) – durfte zu seinen lebzeiten weder gedruckt noch öffentlich aufgeführt werden
komponiert hat camille saint-saëns „le carnaval des animaux“ im januar 1886 in seinem rückzugsdorf in der nähe von prag, nachdem ihn ein freund gebeten hatte, etwas für eine karnevalsveranstaltung in paris zu papier zu bringen. saint-saëns, der sich für tiere interessiert und schon artikel zb. über die blindheit von schnecken geschrieben hat, läßt also seine instrumente antreten und sie löwen, vögel, wildesel, fische, hühner und kängeruhs imitieren, vor allem aber macht er sich über seine komponisten-kollegen lustig. beim größten schwerfälligsten tier, dem „elefanten“ zitiert er ausgerechnet die eleganten luftgeister aus hector berlioz’ „tanz der sylphen“ und verfremdet das scherzo aus dem „sommernachtstraum“ von felix mendelssohn-bartholdy. seine „schildkröten“ wiederum tanzen den superschnellen „cancan“ von jacques offenbach, allerdings wie in zeitlupe (offenbach ist ein rotes tuch für saint-saëns, ihm hatte er schon in zeitungsartikeln vorgeworfen, eine ganze generation mit seiner seichten musik verdorben zu haben). für die „fossilien“ verarbeitet er vier sehr bekannte französische volkslieder und die cavatine aus rossinis „barbier von sevilla“ – es sind für ihn totmusizierte und zu „fossilien“ der tonkunst versteinerte melodien…
schon zwei monate später, am 9. märz, wird der „carneval“ uraufgeführt, vor pariser freunden und bekannten. die erkennen die zitate sofort und sind amüsiert und begeistert. und saint-saëns ist irritiert. denn eigentlich passt der „karneval“ nicht zur seiner auffassung von kunst. saint-saëns ist stets um seriosität bemüht und das hier ist unterhaltung pur, frivol, lustig, frech und als gelegenheitswerk für einen privaten rahmen gedacht, nicht für die öffentlichkeit.
bis 1894 wird der „karneval“ trotzdem noch mindestens zehnmal in paris gespielt. dann lässt der komponist jegliche weitere aufführungen und die veröffentlichung der noten verbieten. seine „grande fantaisie zoologique“ ist ihm peinlich; sie bekommt nicht mal eine opus-zahl in seinem werkverzeichnis. er will für seine symphonien, kammermusiken und bühnenwerke anerkannt werden, nicht für eine verarsche seiner zunftgenossen. einzige ausnahme: „der schwan“, le cygne – ihn lässt er 1887 drucken, wohl, weil es der einzige der zwölf sätze ist, bei dem es sich um ernsthafte musik in seinem sinne handelt (berühmt wurde das stück noch zu seinen lebzeiten durch anna pawlowas solo-tanz „sterbender schwan“, wenn auch bei saint-saëns der schwan putzmunter bleibt).
zehn jahre vor seinem tod schreibt camille saint-saëns 1911 sein testament. hier verfügt er immerhin, dass der „karneval“ nach seinem tod gespielt und erstmals auch veröffentlicht werden dürfe, was sein verleger durand dann auch schon im märz 1922 tut. zum glück.

