Revolutionäre Ärztin


hope bridges adams lehmann *17. dezember 1855 – die erste frau, die in deutschland ein medizinisches staatsexamen ablegte und die erste, die als ärztin in münchen praktizierte; eine vorkämpferin der frauenemanzipation

sie hatte ihr leben lang gegen widerstände zu kämpfen, ihre ansichten waren revolutionär und blieben nie unwidersprochen. in einer zeit, in der frauen kaum rechte hatten und auch im übertragenen sinne in korsetts eingeschnürt wurden, stritt hope bridges adams lehmann als ärztin und autorin wortwörtlich gegen das tragen von korsetts und enger kleidung, für frauensport, für empfängnisverhütung, für die liberalisierung des abtreibungsverbots, für gesundheits- und sexualaufklärung, eine reform der erziehung und für die gleichberechtigung der geschlechter in allen fragen.

das, was hope bridges adams lehmann propagierte, hat sie selbst vorgelebt. als tochter des englischen eisenbahnkonstrukteurs und sozialisten william bridges adams in der nähe von london geboren, wurde sie schon als kind von ihrem vater zu unabhängigem denken erzogen und gleichberechtigt behandelt. er gab ihr gesellschaftskritische bücher zu lesen, schickte sie auf das erste britische frauen college und büffelte mit ihr latein, weil frauen keine latein-kurse belegen durften. als sie 17 war starb william bridges adams und ihre mutter ellen zog mit ihr nach dresden. hope lernte deutsch,  unterrichtete englisch, besuchte vorträge des sozialisten august bebel und schrieb sich im herbst 1876 in leipzig für medzin ein – als gasthörerin; mehr war für frauen nicht möglich. sie war zu dieser zeit eine von gerade mal 34 gasthörerinnen an der uni und bald wechselte auch die einzige andere frau im studiengang medizin in die etwas liberalere schweiz, um dort weiter zu lernen. hope blieb und wurde von ihren männlichen kommilitonen und dozenten und von den behörden gemobbt. um im hörsaal weniger aufzufallen, trug sie männerjacken, westen und hüte und ließ sie sich einen herrenhaarschnitt verpassen. als sie 1880 nicht zum physikum zugelassen wurde, protestierte sie, durfte die prüfung dann ablegen, doch das ergebnis wurde nicht anerkannt, genauso wenig wie ihr staatsexamen. es muss sie unglaubliche kraft gekostet haben, aber hope ließ sich von all den steinen, die ihr in den weg gelegt wurden, nicht abhalten. es folgte weitere umwege, die promotion in bern, die approbation in dublin. dann lernte hope den arzt otto walther kennen, heiratete ihn 1882, bekam zwei kinder und arbeitete als ärztin in der praxis ihres mannes, erst in frankfurt am main, dann in einem lungensanatorium im schwarzwald. 

1893 verliebte sie sich in den zehn jahre jüngeren arzt und sozialisten carl lehmann. sie ließ sich gegen den willen ihres mannes scheiden, heiratete lehmann 1896 und eröffnete mit ihm eine praxis in der münchner marxvorstadt. all das gegen die konventionen der zeit. auch, dass sie als frau bald ein auto fuhr, neben ihrer tätigkeit als armenärztin bücher von bebel übersetzte, in kontakt mit lenin trat, sich mit clara zetkin anfreundete, für eine bilinguale erziehung von kindern und für ein frauenkrankenhaus kämpte, das die klassenmedzin aufheben sollte und einen zweibändigen gesundheitsratgeber für frauen verfasste, der ihre o.g. ideen bündelte. 

schlagwörter: „jeder mensch, ob mann oder frau, hat das moralische recht, die elternschaft abzulehnen. […] am allerwenigsten bequemt sich der geschlechtstrieb dem zwang irgend einer akademischen oder religiösen bestimmung. […] der arzt darf einem patienten, der sich ihm anvertraut, die hilfe nicht versagen, weil ihm persönlich unannehmlichkeiten daraus erwachsen könnten, so wenig als er den besuch bei einem infektionskranken unterlassen darf, weil er selbst daran sterben könnte.  […] sie [die frau] verlangt, neben der aufgabe des kindergebärens und erziehens sich auch an anderen lebensaufgaben zu beteiligen, als mensch unter menschen arbeiten und genießen zu können. […]  ein rad wäre [für mädchen] ein besseres geschenk als ein ballkleid […] die frau ist nur dann ganz weib, wenn sie ein ganzer mensch ist, und nur ein ganzer mensch, wenn sie ganz weib ist. […] wie töricht jede betrachtung der frau abseits des mannes, wie aussichtslos jeder befreiungskampf der frau, der nicht den mann mitbefreit.  […] die natur hat die frau mit den gleichen kräften ausgerüstet wie den mann und deshalb auch zu den gleichen leistungen bestimmt. […] nicht in der rückkehr zu einer ohnedies unwiderruflichen vergangenheit liegt die erlösung der frau, sondern in einer naturgemäßen und darum zweckmäßigen anpassung an die bedingungen der neuen zeit.“ usw.

doch bis hope bridges adams lehmann sich in deutschland endlich offiziell ärztin nennen durfte, vergingen fast 25 jahre. erst 1904 wurde ihr leipziger abschluss und ihr staatsexamen durch einen bundesratsbeschluss anerkannt und durfte sie endlich den doktortitel tragen. ihre ideen und ihr tun blieben indes vielen weiter ein dorn im auge. 1914 zeigten münchner hebammen sie wegen angeblich illegaler abtreibungen an. aus dem prozess ging sie zwar straffrei, jedoch seelisch und gesundheitlich schwer angeschlagen hervor. ein jahr später, im ersten weltkrieg, zog sich carl lehmann in einem feldlazarett eine butvergiftung zu und starb. hope folgte ihm im jahr darauf.

viel mehr hier: marita krauss, hope – dr. hope bridges adams lehmann – ärztin und visionärin (volk verlag, münchen 2009)

Hinterlasse einen Kommentar