18. dezember – paul klee hat heute geburtstag
mit dem angelus novus bin ich aufgewachsen, meine mutter hatte an jedem unserer wohnorte eine kopie über ihrem zeichentisch zu hängen.
walter benjamin hat das original 1921 in münchen gekauft und vorübergehend bei gershom scholem untergebracht, der es ihm nach berlin schickte. als benjamin 33 floh, ließ er es zurück. 35 brachten ihm freunde den engelmann nach paris. als er nach dem einmarsch der deutschen auch dort wegmusste, blieb das bild wieder zurück und wurde von einem freund versteckt. am ende des krieges, benjamin hatte sich aus angst vor dem zugriff der deutschen selbst getötet, wurde es adorno in new york übergeben und später gershom scholem, bei dem der engel der geschichte bis zu scholems tod hing. jetzt wohnt er im israelmuseum.
„Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“
walter benjamin: über den begriff der geschichte, these IX – geschrieben 6 monate vor seinem suizid

