Dajos Béla, geboren am 19. Dezember 1897 in Kiew als Lew Golzmann, war ein ukrainisch-ungarisch-jüdischer Geiger und Tanzkapellenleiter
_Eigentlich wollte er Anwalt werden, musste aber in Weltkrieg ziehen, und studierte anschließend kurz Jura, dann aber Violine und schloss das Kiewer Konservatorium im Juni 1918 mit dem höchsten Abschluss – „Freier Künstler“ – ab. In Moskau und Berlin nahm Golzmann noch private Violinen-Stunden. Der Legende nach übernahm Golzmann hier seinen Künstlernamen „Dajos Béla“ von einem Musikerkollegen, der in der Garderobe an einer Überdosis gestorben war; von seiner Mutter Rosalia kann er ihn zumindest nicht haben, die hieß nach seinen eigenen Angaben mit Mädchennamen Nosinova. „Dajos Béla“ klang zumindest feurig ungarisch und nach den beliebten „Zigeuner-Geigern“. Damit ließen sich die Platten besser verkaufen, die er hier mit seinem Salonorchester einspielte, das anfangs in Kneipen und Bars auftrat, u. a. in den Kabaretts Schwarzer Kater und Max Reinhardts Schall und Rauch, neben den Orchestern von Paul Godwin und Marek Weber aber bald zu den erfolgreichsten deutschen Kapellen gehörte, die bei den Fünf-Uhr-Tanztees der großen Hotels und Kaufhäuser spielten.
Es heißt, dass Dajos Béla in den späten 1920er und frühen 1930er-Jahren mehr Schallplatten als jeder andere Unterhaltungsmusiker seiner Zeit eingespielt hat, mal als Friedrich Elsberg oder Sándor Józsi und seine Ensembles unter Namen wie Dajos Béla Tanz-Orchester, Kapelle Merton, Clive-Williams-Orchester, Wiener-Bohème Orchester und Orchester Mascotte.
Mit dem Aufkommen des Tonfilms trat Béla mit seiner Kapelle außerdem in zig Filmen auf, gefolgt von eigenen „Dajos-Béla-Programmen“ im Rundfunk und der Begleitung der Stars und Sternchen der Zeit von Richard Tauber bis Marta Eggerth.
Die Presse jubelte: „Jazz-Triumphator Dajos Bela […] sein Erscheinen mit vierzig Musikern in der Philharmonie kann in die Zukunft weisend sein. Wo Bülow, Nikisch, Richard Strauß gestanden haben, wo heute Furtwängler steht, wiegt sich in den Hüften, hüpft, promeniert dieser kleine, elegante, liebenswürdige Herr. Mit den bloßen Händen pflückt er die Töne aus der Luft. Mit dem Ansprung eines Tigers reißt er seine Musiker zu kolossalen Steigerungen hoch. […] Saxophone sind da. Harmonikas sind da. Banjos sind da. Und vor allem: Jugend ist da!“
Doch es gab auch die „andere“ Presse; Carl Ring am 30. September 1933 in der „Deutschen Metallarbeiter Zeitung“: „Wenn er mit Schmelz und Tremolo seinen Geigenbogen führte, war die Verniggerung des deutschen Volkes auf dem Höhepunkt, zuckten die Beine im hämmernden Rhythmus des Negerjazz.“
Da hatte Dajos Béla Deutschland allerdings schon verlassen. Nach der Machtübergabe an die Nazis hatte ihn die SA im März 1933 als „Judensau“ von der Bühne gejagt, und der Musiker war mit seiner Frau bei Nacht und Nebel nach Holland geflohen.
Er spielte in Amsterdam, Paris und London und verließ 1935 Europa in Richtung Buenos Aires, wo er zunächst bei diversen Rundfunkstationen und in Tanzcafés auftrat, und dank seiner Kontakte bedrohten Kollegen in Deutschland mit Gastspiel- und Arbeitsverträgen zur Ausreise verholfen und selbst ein Kaffeehaus eröffnet haben soll, das deutschen Emigranten als Treffpunkt und Anlaufstelle diente.
Nach 1945 wurde es ruhig um Dajos Béla, der zunächst noch auf Hochzeiten und Kreuzfahrtschiffen spielte, sich in den 1950er-Jahren aber ganz aus dem Musikgeschäft zurückzog. Er starb kurz vor seinem 81. Geburtstag am 5. Dezember 1978, in La Falda, einem Bergort in Argentinien auf einer Erholungsreise und wurde ist auf dem jüdischen Friedhof La Tablada in Buenos Aires begraben.
Bei YouTube kann man sich Ton-Beispiele anhören wie das kabarettistische Stück „Einen großen Nazi hat sie“ aus der Revue „Weltgeschichte gefällig“, das er 1928 eingespielt hat: https://youtu.be/kc_-LU44n1o?si=DQmFwCC7zZQcifGH
Einen großen Nazi hat sie!
Einen großen Nazi hat sie
Einen kleinen Nazi hat sie
Hat den großen und den kleinen Nazi gern
Sagt zum großen Nazi Schatzi
Sagt zum kleinen Nazi Schatzi
Und verachtet in der Stadt die feinen Herrn
Drum tut mir jeder Herr leid wenn er in
Der Schweiz verliebt in eine Sennerin
Einen großen Nazi hat sie
Einen kleinen Nazi hat sie
Denn sie ist in puncto Nazi Kennerin…
Text: Fritz Grünbaum



