Ungesühnter Mord

In memoriam Shlomo Levin und Frida Poeschke


am 19. dezember 1980, klingelt ein unbekannter gegen 19 uhr an der tür des verlegers rabbiner shlomo levin und seiner lebensgefährtin frida poeschke in erlangen und tötet erst ihn, dann sie mit jeweils vier schüssen aus einer maschinenpistole. statt den hinweisen vor ort – u.a. eine zurückgelassene sonnenbrille – nachzugehen, wird der täter im jüdischen umfeld shlomo levins gesucht und hand in hand mit der presse eine beispiellose rufmordkampagne losgetreten, die das opfer in der öffentlichen wahrnehmung zum täter macht.

die ermittler im mordfall levin-poeschke setzten nacheinander in die welt, was ungeprüft und reißerisch von den medien weiterverbreitet wurde, nämlich der 1911 in jerusalem geborene levin sei der persönliche adjutant moshe dajans gewesen, dann, er hätte als agent für den mossad gearbeitet, danach, es gäbe „ungereimtheiten in seiner schillernden vergangenheit“ oder er sei gar ein „hochstapler“, anschließend, er hätte womöglich kompromittierendes material gesammelt, um andere juden zu erpressen, dann wieder, dass vermutlich orthodoxe juden levin gemeuchelt hätten, weil er mit einer christin zusammengelebt hatte (frida poeschke war die witwe des ehemaligen erlanger bürgermeisters). all dies waren haltlose mutmaßungen und erfindungen. trotzdem wurde wie später bei den nsu-morden weiter von „persönlichen motiven“ ausgegangen und eine große zahl teilnehmer an seiner trauerfeier (der bekannte berliner kantor estrongo nachama hatte levins aussegnung übernommen) demütigenden verhören unterzogen.

erst nach einem halben jahr stocherns im nebel und rechtsseitiger blindheit wandten sich die ermittler dem naheliegendsten zu: der bundesverdienstkreuzträger shlomo levin, der sich zusammen mit seiner partnerin für den christlich-jüdischen dialog eingesetzt hatte, war spätestens 1977 in den fokus der rechtsextremistischen stetig wachsenden „wehrsportgruppe hoffmann“ (WGS) geraten, die in der unmittelbaren umgebung in franken ihr unwesen trieb. deren mitglieder wollten, so wie die neulich aufgeflogenen reichsbürger-putschisten, unter ihrem „führer“ karl-heinz-hoffmann einen militärischen flügel aufbauen (laut franz josef strauß alles „harmlose spinner“), um eines tage mit dessen hilfe, die macht zur übernehmen. nachdem levin sich öffentlich mit der neonazi-szene angelegt und reden gegen holocaust-leugner-treffen und gegen die WGS gehalten hatte, war er von WGSlern fotografiert und in der gruppeneigenen zeitung diffamiert worden, und hatte bereits x anonyme morddrohungen per post und telefon erhalten.

im mai 1981 wurde also endlich der sonnenbrille nachgegangen, die der mörder des paares am tatort hatte liegen lassen. die spur führte über den hersteller zur freundin karl-heinz hoffmanns, der die brille gehört hatte und zu uwe behrendt, hoffmanns rechter hand. doch der hatte sich mit dessen hilfe bereits drei tage nach den morden abgesetzt, sich kurz in der ddr aufgehalten (die brd hatte ihn 1974 aus dem ddr-knast freigekauft), und war dann über syrien in den libanon ausgereist, wo hoffmanns WGS, die anfang 1980 verboten worden war, inzwischen in einem ausbildungslager der PLO quartier genommen hatte. 
behrendt (der sich im september 1981 in beirut umbrachte), konnte also nicht mehr befragt werden. hoffmann, der sich und seiner freundin inzwischen ein alibi verschafft hatte und der polizei nun weismachte, behrendt hätte ihm den doppelmord gestanden und selbstverständlich allein und ohne seine kenntnis gehandelt, und auch waffe und brille ohne sein wissen an sich genommen, konnte keine beteiligung an dem mord nachgewiesen werden, als er und seine freundin drei jahre später doch noch angeklagt wurden. 

dass er spuren verwischt und behrendt zur flucht verholfen hatte, wurde ihm zu seinen gunsten als selbstschutz ausgelegt. die ermittler und das gericht schluckten auch das von hoffmann behauptete motiv. der „durchgeknallte“ behrendt nämlich habe ihn, hoffmann, rächen wollen, weil man ihm den sprengstoffanschlag auf das oktoberfest in münchen am 26. september 1980 hätte anlasten wollen. (das attentat hatte ein früheres WSG-mitglied begangen; seinen palästinensischen freunden im libanon hatte hoffmann aufgetischt, der mossad hätte das attentat begangen, um seine zusammenarbeit mit der PLO zu torpedieren und ihn kaltzustellen; ein von ihm verfasstes papier dazu befindet sich in den beständen der stasi). das gericht folgte in seiner beurteilung also allein den aussagen des neonazi karl-heinz hoffmann. so dass eines der schlimmsten rechten verbrechen bis heute nicht zur gänze aufgeklärt und niemand dafür zur verantwortung gezogen wurde. als sahnehäubchen verweigert der verfassungsschutz bis heute die freigabe der akten, weil die einsichtnahme „das wohl der bundesrepublik deutschland“ gefährde. frida poeschke wurde in erlangen beerdigt, shlomo levin in haifa. auf seinem grab steht: „…gott wird sein blut rächen“. wie an der hoffmann-story sind auch daran berechtigte zweifel angebracht:(

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