Die VHS wird geboren

3. januar 1902. im berliner roten rathaus wird die erste volkshochschule des deutschen reiches gegründet

initiatoren der „freien hochschule“ waren wilhelm bölsche, theodor kappstein, wilhelm schwaner und bruno wille, die einen gegenpol zu den staatlichen universitäten mit ihrem „mittelalterlichen charakter“ schaffen wollten.
ihr vorbild war dänemark, wo der theologe und pädagoge nicolai grundtvig 1844 die erste „volkehogskole“ überhaupt gegründet hatte, und dort zunächst söhne und töchter wohlhabender landwirte unterrichten ließ und das 1873 in großbritannien entstandene „university extension movement“, das abendliche öffentliche lehrveranstaltungen für alle interessierte bürger veranstaltete, die sonst keinen zugang zu universitäten und wissenschaftlichem wissen hatten.
mit der industrialisierung, dem umstand, dass nun auch nichtakademisch gebildete zu etwas freizeit kamen und teile der arbeiterschaft aufsteigen wollten, stieß die idee der erwachsenenbildung auch hierzulande auf zunehmendes interesse. in berlin hielten professoren wie alexander von humboldt und johann g. fichte erstmals öffentliche vorträge außerhalb der universität und vertreter des progressiven bürgertums gründeten populärwissenschaftliche vortragsreihen und volksbildungsvereine, wie 1871 die „gesellschaft für verbreitung von volksbildung“, 1878 die humboldt-akademie, und die 1891 in berlin von wilhelm liebknecht eröffnete arbeiterbildungsschule in der grenadierstraße, die allerdings in erster linie der politischen bildung diente. wilhelm bölsche, der dort auch unterrichtete und elf jahre später eben die erste volkshochschule mitintierte, meinte aber: „die volksuniversität (…) muss sich entschieden hüten, ihren sozialistischen zug nicht dahin zu übertreiben, dass sie sich in eine vorbereitungsschule für politische agitatoren verwandelt.“ die humbold-akademie wiederum war schon wegen des hohen wissenschaftlichen anspruches eine elitäre, bürgerliche bildungseinrichtung und stand damit im widerspruch zu den liberalen berliner hochschullehrern, die sich die gleichheit der bildungschancen aller auf die fahne geschrieben hatte.
1901 hatte bölsche ein essay veröffentlicht, in dem er seine gedanken zu einer journalistenuniversität, dem freien zugang für frauen zur universität und einer arbeiteruniversität darlegte. die nämlich solle zu den arbeitern kommen, „ihre kurse möglichst zwanglos in jene arbeit einschieben, indem sie jede lücke nutzt“, am besten in abendkursen, und „der geschichtsunterricht, im sinne freiheitlicher kulturgeschichte, müsse einen breiten raum im lehrplan einnehmen, daneben wären die naturwissenschaften und die ästhetik, eine einführung in die kunst und vor allem die dichtung zu unterrichten.“  am 13. januar 1902 war es dann also soweit. trägerverein der einrichtung war der „zentralverein für freie hochschulen“, mit dem mitglieder der „neuen freien volksbühnen“, gewerkschaften und eine studentenvereinigung der technischen hochschule charlottenburg zusammenarbeiteten, die bereits 1901 arbeiterunterrichtskurse angeboten hatte. die freie hochs­chule sollte eine wirkliche hochschule des volkes und unabhängig von kir­che und staat sein, den bedürfnissen der arbeiter gerecht werden und jedem erwachsenen, unabhängig von seiner vorbildung, die teilnahme ermöglichen.
die flächendeckende herausbildung der bildungsstätte, die wir heute „volkshochschule“ nennen, dauerte dann aber noch etwa bis zum ende des ersten weltkrieg und nahm schließlich in der weimarer republik richtig fahrt auf…

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