Emmas nasale Reflexneurose

emma eckstein (*28.1.1865) war autorin, sexualaufklärerin und frauenrechtlerin in wien, ist in die literatur aber vor allem als frühe patientin von sigmund freud eingegangen, der sich in diesem falle keine lorbeeren verdient hat. die familien freud und eckstein waren befreundet und emma lange und immer wieder bei ihm in therapie, u.a. wegen depressionen, angstzuständen, magen- und menstruationsschmerzen. freud vermutete hysterie (als ergebnis sexualler enthaltsamkeit) und eine „nasale reflexneurose“. das war die spezialität seines kumpels wilhelm fließ. der hno-arzt vertrat die ansicht, die nase sei ein bindeglied zur sexualität, in der nase gäbe es „genitalstellen“ und wenn man die mit kokain anästhesiert oder noch radikaler, einen oder mehrere nasenknochen entfernt, würden die symptome verschwinden. 

da freud mit seiner therapie bzw. mit den symptomen, die er als nicht psychisch bedingt ansah, nicht weiterkam, schickte er die eckstein zu fließ (er hatte sich selbst auch von ihm wegen herzsymptomen die nase operieren lassen). die op der 27jährigen wurde ein reines desaster. fließ operierte tatsächlich knochen aus ihrer nase heraus, was postoperativ zu großen schmerzen, blutungen und einer vereiterung führte. er selbst reiste nach der op ab. freud kümmerte sich erst nicht und rief nach zwei wochen einen spezialisten, der einen drainageschlauch einführte, aber die blutungen nicht stillen konnte. freud holte ein weiteren chirurgen, ignaz rosanes. der reinigte den infizierten bereich und zog dann, wie freud später an fließ schrieb, plötzlich einen faden heraus und fuhr fort, daran zu ziehen, es sei mindestens ein halber meter mull aus der nasenhöhle gekommen, gefolgt von einer blutflut, „zwei schüsseln voll“ (und einem stück knochen). die patientin kollabierte jedenfalls wegen des starken blutverlustes. freud, der sah, was passierte, floh geschockt ins nebenzimmer und goß sich erst mal einen cognac ein. die zwischenzeitlich wieder zu sich gekommene emma eckstein kommentierte das nach seiner rückkehr mit: „aha, das ist also das starke geschlecht“. ihren sinn für humor konnte sie auch gut gebrauchen. die genesung dauerte nämlich noch monate, es waren zwei weitere operationen nötig und sie war zeitlebens entstellt. 
die schuld an dem mißlungenem experiment suchte freud dennoch bei ihr, nicht etwa bei sich oder dem operateur fließ, den er vor den vorwürfen, einen schweren fehler gemacht zu haben, schützen wollte (u.a. hatten zwei der ärzte, die freud geholt hatte, vermutet, dass der neben der schlampigkeit mit der verbandsgaze auch die halsschlagader verletzt hatte): „du hast es so gut gemacht, wie man es konnte“, schreibt er ihm, und dass die blutungen des „frauenzimmers“ hysterischer natur gewesen seien und aus (sexuellem) „verlangen“ (nach ihm) resultierten. erstaunlicherweise setzte emma eckstein ihre therapie bei freud fort; er wird fließ gegenüber später zugeben: „wir hatten ihr (also) unrecht getan; sie war gar nicht abnorm gewesen…“ tja

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