„Ich lebe nur noch aus Hass…“

max liebermann stirbt am abend des 8. februar 1935 in seinem haus am pariser platz

der ehrenbürger berlins und wichtigste vertreter des deutschen impressionismus war schon 1932 schwer erkrankt und von ferdinand sauerbruch wieder einigermaßen auf die füße gestellt worden. aber er hatte im mai nicht mehr für das amt des präsidenten der preußischen akademie der künste kandidiert und war stattdessen deren ehrenpräsident. ein paar monate später, am 30. januar 1933, wurde adolf hitler reichskanzler und mit einem fackelzug seiner anhänger am brandenburger tor gefeiert. liebermanns legendärem kommentar dazu – „ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte“ – folgte am 7. mai (er zögerte noch, heinrich mann und käthe kollwitz waren schon am 15. februar aus prostest ausgetreten) die niederlegung der ehrenpräsidentschaft und der austritt aus der akademie: „nach meiner überzeugung hat kunst weder mit politik noch mit abstammung etwas zu tun“, oder (schon 1910 geschrieben): „obgleich ich oft genug leider vom gegenteil überzeugt wurde, bilde ich mir ein, daß, wie es in der verfassung heißt, jeder staatsbürger vor dem gesetz gleich ist.“ 

1934 wurde liebermann wie alle jüdisch „versippten“ aus der reichskulturkammer ausgeschlossen. eine beteiligung am kulturbetrieb war nicht mehr möglich, und immer mehr seiner bilder verschwanden aus den öffentlichen sammlungen. inzwischen hatte ihn der neu gegründete kulturbund deutscher juden zum ehrenpräsident gemacht und im februar bat er noch öffentlich um unterstützung für den jüdischen jugendbund „werkleute“ und deren siedlung in palästina, zog sich aber ansonsten völlig aus der öffentlichkeit zurück und wurde von nichtjüdischer seite, mit ausnahmen wie käthe kollwitz, ohnehin wie luft behandelt. 

in dieser zeit entstand sein letztes selbstporträt, mit malkittel, strohhut und versteinerter mine. der 88-jährige bekannte: „ich lebe nur noch aus hass (…) ich schaue nicht mehr aus dem fenster – ich will die neue welt um mich herum nicht sehen“.

im november erkrankte er erneut schwer, im februar starb er. die akademie lehnte jede öffentliche ehrung ab und zur beerdigung auf dem friedhof schönhauser allee kamen fast nur jüdische freunde. zu den rühmlichen ausnahmen gehörten ferdinand sauerbruch, käthe kollwitz (die dann ein jahr später im jüdischen museum in der oranienburger straße auch zur liebermann-gedächtnisausstellung erschien, obwohl die nazis nichtjuden den zutritt verboten hatten), georg kolbe, otto nagel, hans purrmann (der von der gestapo überwacht und nach der beerdigung aus deutschland fliehen musste) und konrad von kardorff, der liebermanns witwe martha unterstützte, die sich später ihrer deportation mittels einer tödlichen dosis veronal entzog.

den größten teil der bilder ihres mannes und seine kunstsammlung hatten die ns-räuber schon früher beschlagnahmt und verschwinden lassen. max liebermanns letztes selbstporträt hängt heute in der tate gallery, weil die leicester galleries ende 1934 die erste einzelausstellung mit 59 werken des verfemten malers einschließlich des damals nagelneuen selbstportraits in london gezeigt und lord marks (von marks & spencer) das bild anschließend gekauft und der tate gallery geschenkt hat. zwei wochen vor seinem tod hatte max liebermann noch an den londoner kurator sir william rothenstein geschrieben bzw. seiner frau diktiert: „…ohne die freude und genugtuung, die mir ihre freundschaft und die collegialität der englischen künstler bereitet haben, hätte ich diese schreckliche zeit der krankheit wohl nicht überstanden.“

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