
Bin an diesem Gesicht hängen geblieben. Dachte, wow, wer ist das denn! Also: Jussuf Abbo, ein Lasker-Schüler-Freund. ein Landarbeitersohn, am 14.Februar 1888 in Zfat im damaligen Palästina geboren, kam 1911 nach Berlin und studierte an der Charlottenburger Kunsthochschule Bildhauerei und Malerei. Er war bekannt wie ein bunter Hund in der Szene und Flechtheim einer seiner Galeristen. Ein Exot und Exentriker, der in seinem Atelier in einem Beduinenzelt schlief. 1935 musste er mit Frau und Kind nach England emigrieren (was nur funktionierte, weil es ihm gelang, seinen türkischen gegen einen ägyptischen Pass zu tauschen), seine Arbeiten wurden als „entartet“ aus den Museen entfernt. In England fand er Arbeit nur im Straßenbau und als Altwarenhändler, litt unter Depressionen, zerstörte seine übrigen Werke und starb 1953 in London. Abbo hat Else Lasker-Schüler mehrfach gezeichnet (ich finde, ihre eigenen Zeichnungen erinnern auch an seinen Strich). Und sie hat ihm, den sie „der Galiläer“ nannte und in einem Brief als „schwarz und temperamentvoll und unverdorben geblieben“ beschrieb, folgendes Gedicht gewidmet (und ihren Sohn Paul in seinem atelier in der Victoriastraße gepflegt, bis der starb). Abbo war so gut wie vergessen, aber inzwischen gibt es eine webseite zu ihm (https://jussuf.abbo.uk), in Berlin eine Gedenktafel (und ich habe einen kleinen Tonkopf von ihm ersteigert).
Seiner guten Mutter
Er ruht auf seinem niederen Diwan wie im Elternhaus.
Das steht in Safeth unter schwärmerischem Himmel,
In ihm denkt sehnsüchtig die Mutter an den Jussuff.
Und auf der Tonplantage seines Ateliers,
Die weißen Menschen blicken leis vom Stein verschleiert,
Geheimnisvoll nach Osten.
Erschaffen kunstvoll und verhüllt behütet,
Fromm leben Jussuff Abbus Steingeschöpfe.
Sorgfältig forschen muß man ihren Wert.
Es atmet schwermütig der Stein,
Es lächeln Lippen lieblich liebentlang,
Im Marmormädchen blüht ein Herz.
-! Da – hinter Eisengittern – ja träumt man?
Brüllt Abbus junger Tiger braungefleckt:
„Zuckeri nja siddi?“
Ganz ehrerbietig redet Jussuff seinen Gast:
„Herr“ Mohammed an.
So er beweist die Hoheit aller Edeltiere.
Und spricht die Sprache der Beduinenfürsten,
Die von den Wüstenvögeln ihre Laute lernten.
Als Kind ritt er auf wildem Pferde mit den Stämmen.
Ganz weiß ist Jussuff Abbus Herz geblieben.
Doch seine Brauen, urwäldlich verwachsen,
verfinstern seine Galiläeraugen.
Sucht er den Psalm der Jemeniterpriester,
Schwebt jeder Harfenton hebräisch zu Jehovah
Vom heiligen Künstlertempel Abbus bis ins blaue Reich.
Else Lasker-Schüler, 1923



