Als Chopin weinte

fryderyk chopin *22. februar 1810

„I (…) come home at nightfall, tidy my hair, put on my evening shoes and then go off to a party. About ten or eleven, sometimes twelve but never later, I come home, play the piano, have a good cry, read, look at things, have a laugh, get into bed, blow out my candle and always dream about you all.« From a letter to Jan Matuszynski, Dec. 25th 1830.

das zitat und die quelle steht auf irgendeiner chopin-fan-seite. ich hab den originalbrief gesucht, weil ich wissen wollte, warum chopin weinen musste. als er diesen brief am 26. dezember an seinen freund in warschau (mit dem er später in paris auch zusammen lebte) zu schreiben begann, war er 20 jahre alt, seit einem monat in wien und in polen ein aufstand gegen die russische fremdherrschaft im gange. eine längere passage macht den kontext klarer:

„… wäre nicht der umstand, dass ich meinen vater jetzt nicht belasten kann, würde ich sofort zurückkehren. […] ich habe die diners, abende, konzerte, tänze bis zu den ohren satt, sie langweilen mich: ich bin so traurig, dumpf, düster hier. ich mag es, aber nicht so martialisch. ich kann nicht tun, was ich will, ich muss mich verkleiden, meine haare ondolieren; im salon tue ich so, als sei ich ruhig, und wenn ich zurückkomme, tobe ich auf dem klavier […]
ich habe leute, die mich angeblich mögen, die mich malen, mich hofieren, mich umschmeicheln, und was bringt es, wenn ich keinen frieden finde […]   vergib mir, jasia, dass ich mich so sehr bei dir beklage, aber mir scheint, es erleichtert mich halbwegs und ich werde ruhiger; ich habe doch immer meine gefühle mit dir geteilt. […]
[drei tage später] […] heute habe ich bei einem abendessen in einem italienischen restaurant gehört: „der liebe gott hat einen fehler gemacht, dass er die polen geschaffen hat« [deutsch im
original], also wundere dich nicht, dass ich nicht beschreiben kann, was ich fühle. und nichts neues unter der sonne. der andere antwortete: „in polen ist nichts zu holen« [deutsch im original]. diese hunde! […]
hier hat ein französischer wurstmacher  einen eleganten laden aufgemacht. manche meinen, dies seien die folgen der französischen revolution, und blicken gnädig auf die würste an der decke; andere ärgern sich darüber, dass ein französischer rebell einen schinkenladen eröffnen durfte, wo sie doch genug schweine im eigenen land haben. wohin du gehst, sprechen sie über die franzosen, und ich fürchte, wenn etwas passiert, würde es nicht bei den franzosen bleiben. […]
morgens weckt mich ein unerträglich dummer diener, ich stehe auf, sie bringen mir kaffee, ich spiele und trinke oft ein kaltes frühstück. […] bis 12 uhr mache ich alles im schlafrock, dann kommt ein sehr würdiger deutscher, leidenfrost, ein kriminalbeamter und wenn es schön ist, gehen wir auf der promenade spazieren, danach gehe ich essen, wenn ich irgendwo eingeladen werde, und wenn nicht, gehen wir zusammen zu dem ort, wo alle studenten hier essen, [in das lokal] „zur böhmischen köchin«. […] dann mache ich besuche, und in der dämmerung komme ich nach hause, frisiere mich, ziehe mich an und [gehe aus] für den abend. gegen 10, 11, manchmal 12 (nie später) komme ich zurück – spiele [klavier], weine, lese, schaue, lache, gehe schlafen, lösche die kerze und träume immer von euch.“

bild: „chopin anew“ c/o jan nyka

Ps. Chopins Geburtsdatum wird häufig mit 1.März 1810 oder 1809 angegeben. Chopins Taufurkunde und seine Geburtsurkunde (entdeckt 1893 von Pfarrer Tomasz Bielawski) sind aber beide auf den 22. Februar datiert.und 1810 ausgestellt.

„Ego qui supra suplevi ccremonias super infantem baptizatum ox aqua, bini nominis Fridericum Franciscum natum 22 februari M[agni]ficorum Nicolai Choppen, Gali, et Justina de Krzyżanowskie Legit.[imorum] Conjug[um]. Patrini M[a]g[ni]ficus Franeiscus Grembecki de villa Ci[e]pliny cum M[a]g[ni]fica D[omi]na Anna Skarbkowna comitissa de Żelazowa Wola”

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