„Adlon oblige“ 

Lorenz Adlon aus Mainz – Erbauer, Betreiber und Namensgeber des legendären „Hotel Adlon“ in Berlin 

Laurenz Adlon wurde am 29. Mai 1849 als sechstes der neun Kinder von Jacob Adlon, Schuhmacher, und Anna Maria Elisabeth Schallot, Oberhebamme in der Mainzer Hebammenlehranstalt, in der Mainzer Steingasse 267 geboren. Ursprünglich hieß die Familie Adelon und stammte von Hugenotten ab, war aber nach ihrer Flucht aus Frankreich in das katholische Mainz zum Katholizismus übergetreten. Laurenz, der seinen katholischen Vornamen erst später im protestantischen Berlin in Lorenz änderte, machte eine Tischlerlehre bei der renommierten Mainzer Kunstschreinerei Bembé, interessierte sich aber mehr für die Gastronomie und war ein aufmerksamer Beobachter. Er bereiste Frankreich, sammelte erste Erfahrungen, und die eigentliche Initialzündung für seinen Wechsel in die Gastronomie soll ein Ausflug mit seinem Mainzer Turnverein nach Koblenz gewesen sein, bei dem der junge Adlon für „Speis und Trank“ zuständig war und bei dem er viel Geld verdiente haben soll. Fortan sorgte Adlon bei Volks- und Turnfesten in Deutschland und Holland für das leibliche Wohl der Besucher, sah sich aber angesichts des Erfolges schnell zu Höherem – vor allem zu höherer Kundschaft – berufen.

Inzwischen hatte er auch geheiratet, zu seinen Ambitionen passend, eine Mainzer Hotelbesitzertochter, Susanne Wannsiedel. Sie bekam mit ihm zwischen 1872 und 1877 fünf Kinder, von denen zwei früh starben. 1872 eröffnete Adlon zusammen mit einem Freund eine kleine Kneipe in der Gymnasiumstraße und 1877 ein eigenes Ausflugslokal am Mainzer Rheinufer gegenüber einer Reindampferanlegestelle, den „Raimundigarten“. Doch 1878 starb Susanne, mit nur 28 Jahren. Der Witwer heiratete im Jahr darauf wieder, vor allem, um seine verbliebenen drei kleinen Kinder – Anna, Ludwig und Elisabeth – versorgt zu wissen. Die neue Frau an seiner Seite, Fanny Claus, eine wohlhabende Witwe aus Stuttgart, Tochter eines Sauerkrautfabrikanten, hatte allerdings ebenfalls kein langes Leben, sie starb 1893 mit 42 Jahren in Berlin. 

Zu dieser Zeit aber hatte sich Laurenz Adlon mit Restaurants, Hotelbeteiligungen und „Catering“ allmählich schon bis nach ganz oben vorgearbeitet. Er hatte das Rheinische Schützenfest gastronomisch ausgerichtet, 1881 das Deutsche Turnfest, 1882 die Bayerische Gewerbeausstellung, 1883 war er der Pächter des Restaurationsbetriebs bei der Amsterdamer Weltausstellung und er war überall kommerziell äußerst erfolgreich. Vor allem hatte er bei seinen Reisen genau beobachtet, was und wie die vornehmen Gesellschaftsschichten speisten, er hatte Speise- und Getränkekarten studiert und beschlossen, nach Berlin zu gehen, in die Hauptstadt des neuen vereinten Kaiserreiches. 

Unter seiner Leitung wurde das Restaurant „Hiller“ Unter den Linden das exklusivste Restaurant Berlins mit der feinsten Speisekarte; nebenan in der Wilhelmstraße verkaufte er in einer eigenen Weinhandlung edelste Tropfen; dann wurde er Miteigentümer des „Continental“ in der Neustädtischen Kirchstraße und fasste so auch noch Fuß in der Berliner Hotelbranche. 1896 betrieb er bei der Gewerbeausstellung mit Rudolf Dressel das Restaurant am Neuen See im Tiergarten, schließlich wurde er noch Pächter der „Zoo-Terrassen“ und führte auch hier eine internationale Küche ein, sein endgültiges Entrée in die deutsche High Society. Mit all diesen Unternehmungen war sein Name in der Reichshauptstadt zu einem festen Begriff geworden. Aber das reichte Lorenz Adlon noch nicht.

Berlin war im ausgehenden 19. Jahrhundert ja noch eine wenig unattraktive, ja piefig-provinzielle Stadt, in deren Hotels mal allenfalls übernachten, aber nicht residieren oder prunkvoll feiern konnte. Aristokraten und reiche ausländische Touristen fuhren lieber nach Paris, Monte Carlo oder Baden-Baden. Adlon aber wollte Berlin zur Metropole machen. Er hatte sich eine feine Adresse für das Luxushotel, das er bauen wollte, ausgeguckt: Unter den Linden 1, am Pariser Platz, direkt neben dem Brandenburger Tor. Dummerweise war das Grundstück bebaut. Hier stand das denkmalgeschützte Palais Redern, dessen Fassade von Schinkel stammte und das zum unverkäuflichen Majoratsbesitz gehörte. Aber Kontakte hatte Adlon bereits reichlich und seine Bekanntschaft mit dem Kronprinzen, der inzwischen deutscher Kaiser war, half. Wilhelm II gefiel die Aussicht auf ein solches Schmuckstück in seiner Stadt ausnehmend gut…

Wie auch immer der Deal zustande kam, 1905 konnte der ehrgeizige Geschäftsmann, neben zwei weiteren auch dieses Grundstück kaufen und – plötzlich galt der Denkmalschutz nicht mehr – das Palais abreißen lassen. Adlon schaffte es auch, sich in kürzester Zeit die notwendigen Kredite zu besorgen, 15 Millionen Mark, eine ungeheuerliche Summe.

Nach zwei Jahren war der klassizistische Hotelkomplex, den die Architekten Carl Gause und Robert Leibnitz entworfen hatten, fertig. Für seine Innengestaltung hatte Adlon renommierte Künstler wie Adolph Menzel, Reinold Degas, Walter Schott und die besten Ausstattungsfirmen engagiert, wie die Mainzer Möbelfirma Bembé, bei der Adlon einst gelernt hatte. Die herrlichen Smyrna-Teppiche und Vorhänge kamen von den Berliner Kaufhäusern Israel und Rudolph, die kostbaren Mosaike und Fliesen von der N. Rosenfeld & Co. Der Selfmademan hatte an alles gedacht. Es gab elektrisches Licht und fließend warmes Wasser in den Gästezimmern, Telefone, Fahrstühle, Lobby, Lounge, Café, Restaurant, Musiksalon, Bibliothek, Wintergarten, Rauchsalon, Damenzimmer, Speisesäle, Konferenzräume, einen Ballsaal, Gärten, die Treppen aus Carrara-Marmor, eine interne Rohrpost für die Essenbestellung, und in Adlons Weinkeller lagerten eine Viertelmillion Flaschen mit den feinsten Tropfen. Ein solches Luxushotel hatte man in ganz Europa bis dahin noch nicht gesehen. Konzipiert nach Adlons Leitspruch, das von „Noblesse oblige“ abgewandelte „Adlon oblige“, nur das Beste für die Gäste, von der Küche bis zum Empfang. Und der Hausherr kümmerte sich um jedes Detail, er hatte genaue Vorstellungen vom Aussehen der Uniformen, Servietten, Gläser oder Lampen über die Weichheit der Betten bis hin zu einem mehrseitigen Reglement Schrift „Die Pflichten des Pagen“, das er selbst verfasste.

Als die Nobelherberge schließlich eröffnungsbereit war, hatte Adlon sein komplettes Vermögen hineingesteckt und 20 Millionen Mark Schulden; allein in Berlin schuldete er seinen Lieferanten über eine Million Mark. Im Rückblick kann man sich wundern, was den Schuhmachersohn wohl angetrieben hat, der nun auch nicht mehr so jung war, ein solches Wagnis einzugehen. Doch die Rechnung ging auf.

Am 24. Oktober 1907, zwei Tage vor der offiziellen Eröffnung, besichtigte der deutsche Kaiser Wilhelm II. mit der Kaiserin und seinem Hofstaat das Haus. Die Majestäten waren hingerissen von dem luxuriösen Ambiente, das die Ausstattung ihrer eigenen Residenz übertraf (und auch besser geheizt war). Lorenz Adlon hatte fortan einen hochkarätigen Gönner und Paten, der in dem Haus, von dem er nur als „seinem“ Hotel Adlon sprach, auch häufig übernachtete.

Nach der Eröffnung überschlugen sich auch die Berliner Zeitungen vor Begeisterung, sie priesen das Hotel als sensationell und den Bauerherren als Visionär.  Adlon hatte sein Ziel erreicht, er wurde und blieb der erfolgreichste Hotelier der Kaiserzeit. Sehen und gesehen werden lautete schon damals die Devise und das Adlon war die Herberge des Hochadels und des neureichen Bürgertums und der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Berlin. Hier logierten und feierten alle von Prinzessin Viktoria Luise bis zum Zaren Nikolaus II. und dem britischen König Georg V., von Maharadschas über Industrielle bis zu den berühmten Diplomaten und Politikern der Zeit.…

Das Adlon überstand auch den Ersten Weltkrieg und wurde in der Zeit der Engpässe ein beliebter und neutraler Treffpunkt für Diplomaten, Politiker, Journalisten und reiche Amerikaner, denn hier gab es weiter elektrisches Licht, Gas und Wasser. Der kluge Lorenz Adlon hatte beim Bau seines Hotels einen eigenen Brunnen graben und eine eigene elektrische Kraftanlage einrichten lassen und wusste auch in diesen Zeiten, wo er die besten Lebensmittel für seine verwöhnten Gäste herbekommen konnte. 

Doch nach Deutschlands Niederlage 1918, der Revolution und dem Sturz der Monarchie war der Hotelier nicht mehr der Alte. Adlon weigerte sich, die Bronzebüste des Kaisers aus dem Kaminraum zu entfernen, als der längst in Holland war, und als er am trüben 9. November 1918 durch das Brandenburger Tor wollte, steuerte er die mittlere der fünf Tor-Durchfahrten an, die dem Kaiser vorbehalten war. Da der, wie er wusste, nicht mehr in Berlin war, erwartete er dort auch kein Auto. Doch die alten Gesetze kümmerten in diesen Tagen niemanden mehr. Als er in der Mitte der Durchfahrt war, raste ein mit rebellierenden Soldaten besetzter Lastwagen durch den Torbogen und riss ihn zu Boden. Adlon erholte sich von dem Unfall zwar wieder, aber das „Kaiser“-Tor übte von da an eine gespenstische Anziehungskraft auf ihn aus, er suchte es immer wieder auf, sah sich nie um, wenn er dort angelangt war und so wurde Lorenz Adlon an exakt derselben Stelle 1921 ein zweites Mal angefahren. Man brachte ihn noch ins Hotel, doch wenige Tage später starb er an einer Embolie.

Nach Lorenz Adlons Tod am 7. April 1921 führte sein Sohn Louis das Hotel genauso erfolgreich wie sein Vater weiter. 1945 brannte es ab, 1997 wurde es durch einen Immobilienfond am alten Standort neu gebaut und von der Kempinski AG gepachtet  – aber das gehört alles schon zu einer anderen Geschichte.

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