
grace aguilar *2. juni 1816. auch wenn sie nur 31 jahre alt wurde und uns ihr name heute kaum noch etwas sagt, war grace aguilar zur ihrer zeit eine gefeierte schriftstellerin und dichterin, deren werke im gesamten britischen empire, in europa und in den usa verbreitet und ins französische, deutsche und hebräische übersetzt wurden. sie gilt als erste frau, die in englischer sprache über das judentum schrieb und die für die emanzipation der juden in der viktorianischen und die der frauen in der jüdischen welt eintrat.
grace wurde in hackney/london geboren. ihre familie stammte aus portugal und war vor der inquisition nach england geflohen. die mutter sarah dias fernandes betrieb eine kleine privatschule für jungen; der vater emanuel aguilar war kaufmann und gabbai in einer der sephardischen synagogen londons. da grace schon als kind kränklich war, unterrichtete ihr vater sie zu hause in jüdischer geschichte und erzählte ihr von den krypto-juden, jenen sepharden, die, um zu überleben, vorgetäuscht hatten, zum katholizismus überzutreten, aber weiterhin im geheimen das judentum praktizierten. mit 15 schrieb sie ihren ersten roman, der während der spanischen inquisition spielte („the vale of cedars“) und versuchte sich bald auch in gedichten.
nachdem beide eltern krank geworden waren, verbrachte sie die meiste zeit mit deren pflege, schrieb aber weiter, übersetzte orobio de castros “apologia, israel defended“ aus dem französischen und bat benjamin d’israeli, der mitglied der sephardischen gemeinde war und später premierminister wurde, um hilfe bei der suche nach einem verleger, den sie in r. groombridge and sons auch fand.
ihr zweiter mentor wurde isaac leeser, der herausgeber der amerikanisch-jüdischen zeitschrift „the occident“. er war bereit, aguilar erstes hauptwerk „the spirit of judaism“ in den usa zu veröffentlichen. allerdings ging das manuskript unterwegs auf see verloren und aguilar schrieb es aus ihren notizen neu. das buch wurde von juden und christen auf beiden seiten des atlantiks gleichermaßen gut aufgenommen und bis in die 1950er-jahre als lehrtext in einigen synagogen und sogar in protestantischen kirchen verwendet. aguilar polemisierte hier sowohl für die englische toleranz als auch für die jüdische religionsreform. sie forderte eine volkssprachliche übersetzung der bibel und verbesserungen in der kindererziehung und bei der anerkennung von frauen.
leeser veröffentlichte im laufe der zeit über dreißig ihrer gedichte, darunter „vision of jerusalem“ und „the wanderers“, einen midrasch über hagar und ismael; und aguilar wurde zur bestbezahlte autorin des magazins und ernährerin ihrer familie.
sie suchte jedoch von anfang an auch ein publikum außerhalb der jüdischen gemeinschaft und veröffentlichte kurzgeschichten in beliebten frauenzeitschriften. die meisten ihrer schriften hatten einen aufklärerischen duktus und waren darauf angelegt, vorurteile bei einer breiten leserschaft abzubauen.
im anglo-jüdischen sektor wurde vor allem ihre novelle „the perez family“ bekannt, die die ambivalenz der viktorianischen juden gegenüber ihrer eigenen modernisierung dokumentiert und aguilars glauben an die fähigkeit von frauen, die diktate der bibel zu interpretieren. als ihr meisterwerk gilt „the women of israel“, eine reihe biographischer berichte über biblische, talmudische und moderne jüdische frauen, in denen sie zugleich die emanzipation der juden und die soziale akzeptanz durch die christen fordert, und dass frauen vollen zugang zu jüdischen religiösen texten, einschließlich des talmuds, haben sollten.
grace aguilar, die ihr leben lang mit gesundheitlichen problemen zu kämpfen hatte, wurde im frühjahr 1847 so krank, dass sie nach frankfurt fuhr, wo ihr bruder emanuel musik studierte, um in einem kurort heilung zu suchen. doch ihr zustand verschlechterte sich weiter und sie starb am 16. september, was englische und amerikanisch-jüdische blätter als „nationales unglück“ betrauerten. auf ihrem grabstein auf dem alten jüdischen friedhof in frankfurt kann man gerade noch die letzte zeile aus sprüche 31 über die „tüchtige frau“ erkennen: „give her of the fruit of her hands; and let her own works praise her from the gates.“
