marc [moische] chagall *7.7.1887, über paris:
paris! für mich gäbe es kein schöneres wort.
damals hatte ich erkannt, dass ich nach paris gehen musste. die erde, die die wurzeln meiner kunst genährt hatte, war witebsk; aber meine kunst brauchte paris so nötig wie ein baum das wasser. ich hatte keinen anderen grund, meine heimat zu verlassen, und ich glaubte, ihr in meiner malerei immer treu geblieben zu sein.
in paris ging ich weder zur kunstakademie noch zu professoren. die stadt selbst war auf schritt und tritt meine lehrmeisterin, in allem. die händler vom markt, die kellner, die hotelportiers, die bauern, die arbeiter. sie umgab etwas von jener erstaunlichen atmosphäre aufgeklärter freiheit [lumière-liberté], die ich nirgendwo anders gefunden hatte.
während in den russischen ateliers ein gekränktes modell schluchzte, bei den italienern lieder und gitarrenklänge ertönten, bei den juden diskussionen, war ich ganz allein in meinem atelier [in la ruche], vor meiner petroleumlampe. zwei, drei uhr morgens. der himmel ist blau. die morgenröte steigt auf. irgendwo weiter weg schlachtete man das vieh, die kühe brüllten und ich malte sie.

