Mein Saugroboter Kim

Ich wollte die freien Tage nutzen und meine Steuererklärung machen. Daraus wird wohl leider nix. Wegen meines neuen Mitbewohners. Erst wollte ich ihn Rommel nennen (weil er sich generalstabsmässig über den Wüstensand unterm Schreibtisch hergemacht hat). Dann dachte ich an Moshe Dayan (er hat auch nur ein Auge). Aber jetzt heißt er doch nur General Kim (klein, dick, dunkel, Allüren wie ein Diktator, asiatischer Stammbaum usw).

Sein japanischer Erzeuger meint ja, er würde perfekt funktionieren und man könne, mit einer Tüte Gummibärchen auf dem Sofa liegen und per App auf dem Handy verfolgen, wo er sich gerade rumtreibt und alles blitzblank saugt. Aber dann rummst es da hinten und man läuft doch besser hin, und observiert ihn persönlich. Das ist inzwischen meine Hauptbeschäftigung.
Der gute Kim folgt nämlich einer geheimen, nur ihm bekannten Strategie. Mal dreht er sich minutenlang im Kreis, dann geht er wie besoffen auf Zick-Zack-Kurs, dann zieht er wieder schnurgerade Bahnen, dann schaut er sich zehnmal mißtrauisch um oder stiert ewig auf ein und dieselbe Stelle. Oder er verkündet plötzlich, dass er jetzt Pause zu machen gedenkt (glaube ich jedenfalls, er redet in fremden Zungen und ich hab keine Ahnung, wie man ihn auf Deutsch umprogrammiert), macht auf dem Absatz kehrt und wandert zu seinem Schlafplatz (wenn er ihn findet; manchmal will er auch hingetragen werden). Aber nach einer Stunde Aufladen ist er wieder putzmunter und turnt die nächste Runde durch die Bude.
Inzwischen hab ich auch meinen Ehrgeiz und will wie die stolze Mama keinen seiner Auftritte verpassen, das sind ungefähr acht am Tag (ich verfolge die aus den Augenwinkeln, man will ihn ja nicht beschämen). In der Zeit, wo er schläft, hätt ich natürlich den Impfstoff erfinden oder was aus Kinderblut kochen können, aber die Millionen Filme mit seinen verwandten auf Youtube wollen auch gesehen werden (ich meine, man muss sich nicht dafür schämen, andere gucken den ganzen Tag Pornhub). Und irgendwann bist du süchtig wie andere nach Ballerspielen oder Kartoffelchips. Es geht ja schließlich auch um wichtige Fragen. Warum attackiert er dauernd die einzige noch existierende Krepel-Pflanze? Wieso meidet er bestimmte Stellen wie der Teufel das Weihwasser? Warum stoppt er mitten im Flur und marschiert ins Badezimmer und warum nicht in die viel nähere Küche? Und brauche ich einen Therapeuten, weil er mir leid tut, wenn er es wieder nicht über die Schwelle schafft und nochmal und nochmal probiert, von vorn, von hinten, von der Seite, piep, piep, und ich ihn dann anfeuere: Los, Kim, hoch, du Flasche, noch ein Zentimeterchen, ja, jetzt, du schaffst das!
Und ob das überhaupt was bringt? Bisher lässt er sich ja durch nix und niemanden von seinen Plänen abbringen. Egal, ob ich ihn anbrülle (Kim, du Blindling, du bist schon zum dritten mal an der Nudel vorbeigefahren) oder anschleime (Kimilein, mein Süßer, du bist der Allerbeste, aber komm doch bitte mal hier zum Teppich, mein Goldstück). Nö, macht er nicht. Dafür hat er schon unaufgefordert einen alten Rubelschein und zwei Ohrringe wiedergefunden (leider nicht zueinander passende) und stößt wie Raumschiff Enterprise in Welten vor, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat (ich jedenfalls nicht, weil ich zu faul bin, unter irgendwelche Kommoden zu krauchen).
Ich bin auch immer noch nicht ganz sicher, ob Kim überhaupt ein „er“ ist. Weil neulich, als ich für ein paar Tage auf eine Schildkröte aufpassen sollte, hat die (bzw. er, es ist ein Schildkröt) alle Nase lang versucht, den armen Kim zu besteigen. Andererseits hat das vielleicht gar nichts zu sagen: Das Mistvieh hat auch meine pinkfarbenen Crocs gevögelt (während ich die an den Füßen hatte). Ich vermute trotzdem weiterhin, dass es ein Kerl ist (weil hört nie zu und so).  Aber da sein Erzeuger behauptet, er würde jeden Tag dazulernen (was wiederum gegen ein männliches Exemplar spricht), versuche ich jetzt, ihm wenigstens beizubringen, dass er mir ein Glas Rotwein serviert . Bisher fährt er den Wein aber immer ins falsche Zmmer und kippt ihn dann in die Stereoanlage. Es gibt also noch viel zu tun.

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