Der erste Hawaiianer in Preußen

Harry Maitey *23.4.1807

„hier ruht in gott der sandwichinsulaner maitey 1872“ steht auf dem steinkreuz auf dem friedhof nikolskoe in wannsee, auf dem früher alle bewohner der pfaueninsel bestattet wurden.

im september 1824 war das hanseatische handelsschiff „mentor“ nach einer zweijährigen weltumrundung im auftrag der königlich preußischen seehandlungsgesellschaft wieder in stettin angekommen – mit an bord ein junge von den sandwich-inseln, der auf eigenen wunsch hin mitgekommen war, weil es damals politische unruhen im königreich hawaii gab und er keine eltern mehr hatte.

die „vossische zeitung“ berichtete am 18. oktober 1824 unter der überschrift „unser chinafahrer“ von einer ausstellung mit den mitbringseln der weltumsegler in den räumen des seehandlungsgebäudes in der jägerstraße  und von dem „freiwilligen“ von den sandwich-inseln: er „hat sich nun schon ganz an die europäische lebensweise gewöhnt. henry mag ungefähr 15 bis 18 jahr alt sein, die menschenrace, von der er stammt, gehört nicht zu den n*gern, steht ihnen jedoch durch die schwärzliche hautfarbe u. etwas platte nase ziemlich nah, unterscheidet sich jedoch durch wohlgebildete lippen und glattes, langwachsendes, weiches haar; sein teint scheint etwas brouillirt, am arm und im gesicht ist er tattowiert. er ist sehr gelehrig, freundlich, munter, arbeitssam. deutsche worte spricht er geläufig nach, wenn sie nicht zu viel consonanten haben, besonders scheint ihm das r ganz zu fehlen. wenn er zum singen eingeladen wird, ziert er sich fast eben so sehr, wie unsere jungen damen, und hat auch die andere böse gewohnheit, daß man ihn, wenn er erst angefangen hat zu singen, gute worte geben muß, ehe er aufhört (…)“.

maitey, der von den schiffsoffizieren, weil man nicht wußte, was mit ihm anfangen sollte, erst einmal mit nach berlin genommen worden war, hatte unterschlupf beim präsidenten der seehandlung christian rother gefunden, der nun an den könig schrieb. der sollte entscheiden, was mit dem jungen geschehen solle. friedrich wilhelm III. ließ antworten, dass man ihn „in der deutschen sprache und im christentum“ unterrichten solle. so blieb maitey bei familie rother im seehandlungsgebäude. was ein glück für ihn war. christian rother wurde seine respekts- und bezugsperson, die wohnung lag am gendarmenmarkt, hier gab es das schauspielhaus, die weinstube von lutter & wegener, einen wochenmarkt und viel zu sehen „unter den linden“. maitey mochte die kleidung der bürger und entwickelte eine besondere vorliebe für blankgeputzte stiefel. rother nahm ihn mit in die ferien nach schlesien und bildete ihn als tischdiener aus, und die gäste steckten ihm reichlich trinkgelder zu, die er für kleidung ausgab. 

1825 wurde das „erziehungshaus vor dem halleschen tor“ eröffnet; hier bekam maitey seinen unterricht und aß, bei besserer verpflegung als die anderen zöglinge sie erhielten, am tisch des schulleiters. 
aber der junge war überfordert. rother besprach die lernschwierigkeiten seines mündels mit seinem freund wilhelm von humboldt. es ist ein billett von ihm an rother überliefert: „wollten mir ew. hochwohlgeboren heute hachmittag um 6 uhr ihren harry schicken, so möchte ich meine kunst an ihm versuchen (…)“.  aus dem nachhilfeunterricht wurde aber wohl nichts, dafür befragte humboldt ihn eingehend über die hawaiische sprache und trug seine ergebnisse später in der akademie vor. 

1830 wurde maitey in einem privaten gottesdienst auf den namen heinrich wilhelm getauft und konfirmiert. friedrich wilhelm III. war als oberhaupt der evangelischen landeskirche daran interessiert, dass seine untertanen dem christlichen glauben angehörten, und die taufe war für maiteys rechtliche stellung wichtig (so waren zb. quäkern die kinder weggenommen waren, weil sie sich geweigert hatten, sie taufen zu lassen). eine andere wichtige größe, die sklavenbestimmungen des preußischen land­rechts, wurden erst über 20 jahre später mit hilfe alexander von humboldts aufgehoben  (,,ich habe zu stande gebracht, was mir am meisten am herzen lag, das von mir lang geforderte n*gergesetz: jeder schwarze wird frei werden, sobald er preußischen boden berührt (…)“.

„heinrich wilhelm“ jedenfalls bekam zur taufe 15 taler von seinen paten und die zusicherung des königs für eine stelle am hof. da er aber im bewerbungsgespräch auf der ganzen linie versagte, kam man bei hofe auf eine andere idee. maitey war schließlich insulaner, und so passte er am besten auf eine insel, die idyllische königliche pfaueninsel.
maitey wurde dem dortigen maschinenmeister friedrich zugeteilt, der ihn zum drechsler, schlosser und tischler ausbildete. es ging ihm gut. er verliebte sich in charlotte dorothee becker, die tochter des tierwärtergehilfen auf der insel. nach einigen schwierigkeiten bekam maitey mit hilfe seinen pflegevaters die königliche erlaubnis und heiratete 1833.

da aber auf der pfaueninsel wohnraum knapp war, zog das junge paar nach klein-glienicke. sie bekamen drei kinder – 1837 heinrich  wilhelm otto, 1839 heinrich wilhelm eduard und 1846 friederike wilhelmine – von denen aber nur das mittlere seine eltern überlebte. maitey arbeitete weiterhin auf der pfaueninsel, hatte aber nun einen weiten arbeitsweg. im laufe der jahre fehlte er immer häufiger. und maschinenmeister friedrich wurde sauer. er verlangte in einer eingabe den umzug des „neuseeländers“(sic!) in eine leerstehende wohnung auf der insel. und maitey wurde pro forma dem königlichen hofgärtner fintelmann unterstellt. der eigentliche grund für den frust des maschinenmeisters war aber vermutlich, dass die feinarbeiten für die geschnitzen filigranen elfenbein- und perlmutt­modelle von schlössern und kathedralen, für die friedrich viel lob und geld kassiert hatte, sehr wahrscheinlich nicht von ihm, sondern von maithay stammten, der schon als kind auf hawaii gelernt hatte, dinge aus muscheln und knochen zu schnitzen. denn wie später festgestellt wurde, hat friedrich mit deren herstellung nach maiteys ankunft begonnen und kein einziges modell mehr fertiggestellt, nachdem maitey nach klein-glienicke umgezogen war. 

hier, in der kurfürstenstraße 10 in klein-glienicke starb heinrich wilhelm maitey am 26. februar 1872 mit 64 jahren an pocken. sehr wahrscheinlich hatte er sich bei französischen kriegsgefangenen, die den nahegelegenen forst dreilinden aufforsten mussten, angesteckt.

die zeichnung stammt von gottfried schadow, der zu ihr geschrieben hat: ,,da derselbe unter uns geblieben, so zeigt der augenschein einem jeden, daß in dessen gesichtszügen nichts abweichendes von den unsrigen wahrzunehmen ist. die breiten wangenbeine finden sich auch bei uns, und, obgleich sein schädel schmäler, wird dieser doch durch die starken und dicken haare versteckt; was ihn einigermaßen unterscheidet ist die dunklere hautfarbe. zu einer feineren geistesbildung fand er sich nicht geeignet.“

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