Klara Blum – Tatort-Kommissarin?

Klara Blum – Tatort-Kommissarin? Nein. Laut Wiki-Kurzinfo eine „chinesische Schriftstellerin“ – aber auch das nicht wirklich. Die Autorin mit dem schönen Namen auf dem pixligen Foto war trotzdem ihr Leben lang einem Verbrechen und ihrer großen Liebe auf der Spur, die sie nach China brachten…

Klara Blum wird am 27. November 1904 (wie Paul Celan, Rose Ausländer oder Josef Schmidt) in Czernowitz in der Bukowina geboren, das damals zu Österreich-Ungarn gehört, später zu Rumänien, dann zur Sowjetunion und heute zur Ukraine. „Geboren auf Europas Hintertreppen … Wuchs ich heran als Kind des Pulverfasses, / Vom Zündstoff voll der Liebe und des Hasses. / Die Judengasse ist mein Ahnenschloß, / Mein Vaterland ein bunter Völkertross …

Geburtseintrag Klara Blum

Sie ist die Tochter des jüdischen Großgrundbesitzers und Landtagsabgeordneten Josef Blum und seiner 26 Jahre jüngeren Frau Cipre. Die lässt sich 1913 von Blum scheiden und geht mit ihrer Tochter (die ihren Vater hasst und später einen „Wucherer“ nennt) nach Wien. Mit 19 beginnt Klara Psychologie zu studieren und sich bald als Journalistin zu betätigen. Sie schreibt für Zeitungen im deutschsprachigen Raum, für die „Ostjüdische Zeitung“, die „Jüdische Rundschau“, „Menorah“, „Wiener Morgenzeitung“ und später für die „Arbeiter-Zeitung“ – vor allem zur Frauenemanzipation und sozialen Lage von Frauen, zu jüdischen Themen, aber auch Gedichte.

Klara Blum: Venezianische Sonette (1926)

Als überzeugte Zionistin geht Blum 1929 nach Palästina, kann aber nicht Fuß fassen, kehrt enttäuscht nach Wien zurück und tritt in die Sozialdemokratische Partei ein, und wieder aus, als die nicht mit der KPÖ zusammengehen will. 1933 wird sie Mitglied der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ und gewinnt 1934 bei einem Wettbewerb der „Internationalen Vereinigung revolutionärer Schriftsteller“ mit ihrem Antikriegsgedicht „Ballade vom Gehorsam“ eine zweimonatige Studienreise in die Sowjetunion. 
Aus diesen zwei Monaten werden „dank“ dem Faschismus, wie sie selbst formuliert, elf Jahre. Sie wird zur überzeugten Kommunistin, bleibt sich aber ihrer jüdischen Herkunft sehr bewusst: „… Mein Herz, wohin es auch der Zeitstrom reIßt / Bleibt Fleisch und Blut von deinem Fleisch und Blute. / Hält – leicht verwundbar – Todesstürme aus, / Hartnäckig in der Liebe und im Hasse. / Ich bin nicht heimatlos. Ich bin zu haus / In Ost und West in jeder Judengasse. / 
Klara Blum hält sich in Moskau als Lehrerin, Übersetzerin und Redakteurin über Wasser, sie veröffentlicht Nachdichtungen vor allem jiddischer Gedichte von Kwitko bis Suzkever und fünf eigene Gedichtbände.

Klara Blum: Mutter (1937)

Ende 1937 trifft Klara Blum in Moskau den chinesischen Regisseur Zhu Xiangcheng, einen Aktivisten der linken Theaterbewegung, und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Auch er ist Kind eines reichen Großgrundbesitzers, hatte eine Missionsschule in Shanghai besucht, spricht fünf Sprachen, spielt diverse Instrumente und interessiert sich für Poesie. Auf Druck seines Vaters war er eine arrangierte Ehe eingegangen, hatte seine Frau und seine drei Kinder verlassen, und war über Paris – als Student getarnt – für die chinesische KP mit einem Wanderzirkus nach Russland gekommen… 

Klara fühlt sich Xiangcheng seelenverwandt, sie schreibt Gedichte, in dem sie das Schicksal von Juden und Chinesen verbindet: „…das ist unsere Weisheit, das ist unser Lied, wir kriechen zu Kreuze, um den Auftrag zu erfüllen. / Die Entfernung so weit, aber die Schicksale so gleich / das alles macht uns gleich im Denken und Fühlen“. 

Doch nach vier Monaten findet ihre Liebesbeziehung ein plötzliches Ende. Xiangcheng verschwindet spurlos. An das naheliegende – dass er den stalinistischen Säuberungen zum Opfer gefallen sein könnte – will Klara nicht glauben. Sie redet sich ein, er sei in geheimer Mission der KP nach China abberufen worden. Tatsächlich wurde Zhu Xiangcheng auf Befehl des Obersten Sowjets im April 1938 verhaftet und wegen Spionage zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt und ist im Januar 1943 in einem sibirischen Arbeitslager gestorben.

Für Klara Blum, die von all dem nichts weiß, wird die Suche nach ihrem Geliebten zum Lebensinhalt, Ihr gesamtes restliches Leben lang: „In meinem Leben glimmt ein Glück. Jahr für Jahr folgt es im Dunkel. Zwölf Wochen – kurz aber ewig. … Endlich nähern sich ihm mein Körper, mein Herz, mein Kopf / In diesem Glück komme ich der Zukunft näher“.

Klara Blum will nach China. Sie ist unbeirrbar davon überzeugt, dass ihr Zhu Xiangcheng dort irgendwo ist. Doch die Sowjets (sie ist seit 1935 sowjetische Staatsbürgerin) lassen sie erst Ende 1945 ausreisen. Sie kreuzt fast mittellos und auf Umwegen durch ganz Europa – Warschau, Prag, Budapest, Bukarest, Paris… bis sie 1947 endlich und ohne einen Pfennig in Shanghai ankommt. Klara sucht Zhu Xiangchengs Frau auf, und nacheinander alle seine Freunde und Bekannten von früher. Niemand weiß, was mit ihm passiert ist. 
Klara Blum zieht in das UNRRA-Flüchtlingslager, und als die Flüchtlinge beginnen, Shanghai zu verlassen, entscheidet sie sich, zu bleiben. Sie arbeitet als Bibliothekarin und Lehrerin und sucht weiter nach ihrem Freund. 1952 wird sie Professorin für deutsche Literatur an der Fudan-Universität in Nanjing, später an der Zhongshan-Hochschule in Kanton. 1954 wird sie eingebürgert und gibt sich selbst den chinesischen Namen Zhu Bailan 朱白蘭 – „Zhu“ war ja der Nachname ihres Geliebten, und „Bailan“ (weiße Orchidee) wird ähnlich ausgesprochen wie „Blum“. 

Klara Blum schreibt einen autobiografischen Roman „Der Hirte und die Weberin“, der die Suche nach ihrem Freund und die Vorurteile der Exilanten gegen ihre Beziehung zu einem Chinesen schildert. Ee erscheint 1952 in der DDR und wird von Lion Feuchtwanger hoch gelobt (nach dem Bruch Chinas mit dem europäischen Ostblock zehn Jahre später konnte sie dann jedoch nichts mehr in der DDR publizieren).

Die Kulturrevolution 1966 zerstört Klara Blums politische Hoffnungen. Als Ausländerin steht sie unter Spionageverdacht und wird von Kollegen und Studenten gemieden. Dass sie eine Fremde und Außenseiterin geblieben war, nimmt ihr jeden Lebenswillen. Sie erkrankt an Krebs, lehnt jede Therapie ab und stirbt am 3. April (oder 4.Mai) 1971 vereinsamt in Guangzhou. Das gemeinsame Foto von ihr und Zhu Xiangcheng hängt bis zu ihrem Tod an der Wand. Er selbst wird erst 1989 rehabilitiert.

Klara Blum: Liebesgedicht an einen alten Mann (1955)

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