Chinesenaktion

die schmuckstraße in st. pauli war das zentrum der kleinen chinesischen kolonie in hamburg – bis am 13. mai 1944 die gestapo kam…

seit ende des 19. jahrhunderts beschäftigten reedereien wie die hapag und der norddeutsche lloyd billige asiatische arbeitskräfte als heizer und kohlenschipper.  
solange ihre schiffe im hafen lagen, war die schmuckstraße mit ihren prostituierten, chop-suey-lokalen, wäschereien, gewürzhändlern und (schwarz)arbeitsvermittlungsbüros die anlaufstelle der matrosen. hier hatten sich chinesische seeleute illegal angesiedelt, verwandte nachkommen lassen und sich allmählich ein kleines chinatown aufgebaut, denn mit rücksicht auf die wirtschaftlichen beziehungen zwischen china und deutschland wurden nur die wenigsten ausgewiesen. sie wohnten in der ohnehin armen gegend in den billigsten wohnungen, die im souterrain oder in den kellern der häuser lagen.

einerseits war das viertel auch für die hamburger eine beliebte flaniermeile, andererseits nährte die presse mit berichten von vermeintlichen oder tatsächlichen spielhöllen und opiumhöhlen, von chinesischen schmugglern und banden die vorurteile und so hatten die chinesischen bewohner auch schon vor der nazizeit mit diskriminierung zu tun, selbst wenn die meisten ganz normal ihren unterhalt als köche, wäscherinnen oder gemüsehändler verdienten.
mit der machtübergabe 1933 verschärfte sich die situation, die deutschen reedereien musste ihre chinesische matrosen ausmustern. reinhard heydrich, chef des reichssicherheitshauptamts, befahl, die ausländermelde- und gewerbepolizeilichen bestimmungen gegenüber chinesen besonders scharf anzuwenden und chinesen, die mit deutschen frauen zusammenlebten oder mit ihnen uneheliche kinder hatten, die weitere aufenthaltserlaubnis zu verweigern und sie auszuweisen. ein teil der chinesischen bevölkerung verließ so schon in dieser zeit hamburg und deutschland. 

und seit china ende 1941 dem deutschen reich den krieg erklärt hatte, waren die hamburger chinesen ganz offiziell „staatsfeinde“. dann schnappte die falle für die in hamburg gebliebenen endgültig zu. bei der sog. „chinesenaktion“ am 13. mai 1944 sperrte die gestapo die straßen des viertels ab und durchkämmte sie nach asiatisch aussehenden menschen. etwa 130 männer wurden verhaftet und auf die davidswache gebracht und später in das KZ und gestapo-gefängnis fuhlsbüttel. etwa die hälfte kam als sklavenarbeiter in das „arbeitserziehungslager wilhelmsburg“. die bei der aktion verhafteten deutschen frauen, die chinesische partner oder kinder aus solchen beziehungen hatten, wurden in das kz ravensbrück verschleppt. mindestens 17 der männer starben durch misshandlungen, unterernährung und die schwerstarbeit beim straßenbau und in den ölraffinerien.

nach der befreiung kehrten nur etwa 30 der überlebenden nach hamburg zurück, die anderen gingen nach china. ihre entschädigung lehnten die wiedergutmachungsbehörden ab, begründung: die chinesenaktion sei „normales polizeiliches vorgehen gegen verdächtige ausländer“ gewesen. die berufungsgerichte konnten ebenfalls„keine rassistischen motive in der verfolgung“ erkennen.

auch chong tin lam (linkes foto mit töchterchen), einer der wenigen zurückgekehrten, bekam weder eine entschädigung noch entschuldigung. er war mit 19 jahren 1926 nach hamburg gekommen, hatte 1938 die kleine „hong-kong bar“ am hamburger berg 14 von seinem onkel übernommen und mit seiner damaligen lebensgefährtin lina donatius 1942 eine tochter bekommen, marietta, die sie aus angst vor verfolgung zu linas schwester nach heidelberg gaben. bei der „chinesenaktion“ wurde das restaurant geplündert und auch chong tin lam verhaftet. er war bis zur befreiung in mehreren lagern und baute nach dem krieg die „hong-kong bar“, das letzte relikt der alten chinesischen gemeinde, samt hotel wieder auf. über die haft hat er nie gesprochen. nach seinem tod übernahm seine tochter marietta 1983 das hong-kong und betreibt es, als inzwischen älteste wirtin im kiez und unterstützt von ihrer enkelin und anderen youngstern, bis heute.

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