Emilie Kempin-Spyri

biografien, die einen sauer machen können: emilie kempin-spyri *18.3.1853 

die züricher pfarrerstochter emilie spyri legte ihr abitur als externe in einem knabengymnasium ab und heiratete 1877 den pfarrer walter kempin. 1883, sie war bereits 30 und mutter dreier kinder, immatrikulierte emilie kempin an der universität zürich, und blieb dort während des gesamten studiums die einzige jurastudentin. 1887 promovierte sie mit „summa cum laude“ zur ersten doktorin der rechte europas. doktor iur. kempin wollte ein rechtsberatungsbüros eröffnen und als anwältin arbeiten, was ihr verweigert wurde, da ihr als frau das sog. „aktivbürgerrecht“ und das stimmrecht fehlte. ihre klage vor dem bundesgericht zu einer neubewertung der bundesverfassung, nämlich dass der dort verwendetet begriff „schweizer“ männer und frauen umfasse und frauen auch aufgrund anderer formulierungen in der verfassung selbstverständlich mitgemeint waren, wurde abgewiesen (diese sichtweise sei „ebenso neu als kühn; sie kann aber nicht gebilligt werden“).
daraufhin stellte emilie an der uni einen antrag auf eine habilitation als dozentin für römisches recht. der antrag wurde nach sieben sitzungen des akademischen rats ebenfalls abgelehnt. die situation schien so aussichtslos, dass sie beschloss, mit ihrem mann, der zwischenzeitlich seine pfarrstelle verloren hatte und ihren kindern nach new york auszuwandern. obwohl sie kaum englisch konnte und keine beziehungen hatte, gründete sie 1889 das erste „women law college“ und war die erste jura-dozentin an mehreren juristischen bildungsstätten in new york.
ihr mann kam nicht klar in den usa und ging mit den kindern zurück in die schweiz. emilie folgte ein jahr später, stellte erneut einen antrag auf habilitation, der wieder abgelehnt wurde, bekam dann aber eine ausnahmegenehmigung. sie schloss die habilitation in bern ab, und erhielt endlich auch eine lehrbefugnis für römisches, englisches und amerikanisches recht an der universität zürich. doch ihr antrag, als anwältin zugelassen zu werden, wurde erneut abgelehnt. 
von den vorlesungen allein konnte emilie kempin nicht leben. sie trennte sich 1896 von ihrem mann, brachte die kinder unter und ging nach berlin. trotz der steine, die ihr in den weg gelegt worden waren, hatte sich ihr ruf als ausgezeichnete rechtswissenschaftlerin bis hierher verbreitet, sie bekam eine lehrstelle für privatrecht und deutsches familienrecht an der humboldt-akademie und ihre tätigkeit als „ghostwriterin“ beim entwurf für das bürgerliche gesetzbuch des deutschen reiches 1896 führte zur änderung einiger ehegüterlichen vorschriften zugunsten von frauen. 
doch die vielen enttäuschten hoffnungen, das berufsverbot als anwältin, kritik von allen seiten, die geschiedene ehe, die kinder irgendwo, die familie, die sich von ihr abgewendet hatte, ständige geldsorgen – all das führte dazu, dass die juristin 1897 einen nervenzusammenbruch erlitt. man brachte sie in das sanatorium „berolinum“ in lankwitz, aus dem sie nach zürich flüchtete. dort wurde 1899 für den kanton zürich ein neues anwaltsgesetz verabschiedet, das frauen trotz fehlendem aktivbürgerrecht erlaubte, den anwaltsberuf auszuüben. emilie hatte gewonnen, aber keine kraft mehr.
freunde rieten ihr, sich in basel behandeln zu lassen und 1899 ließ sich kempin freiwillig und „vorläufig“ in die kantonale heil- und pflegeanstalt friedmatt einweisen. man ließ sie nicht mehr raus. laut krankenakte litt sie an „primärer verrücktheit“. sie wurde entmündigt und die anstaltsleitung hielt alle ihre gesuche um behandlung ihres falles und um verlegung zurück, zuletzt auch ihre bewerbung als dienstmagd bei einem pfarrer. sie starb 1901 mit 48 jahren in der anstalt an krebs.
heute ist emilie kempin-spyri als eine der ersten promovierten juristinnen und erste habilitierte deutschsprachige rechtswissenschaftlerin anerkannt. die new york university of law hat einen lehrstuhl nach ihr benannt.

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