LSD am Bycycle Day

19. April 1943: Albert Hofmann entdeckt im Selbstversuch die hallluzigene Wirkung von LSD

der schweizer chemiker hatte für das baseler pharmaunternehmen sandoz mit dem getreidepilz-mutterkorn experimentiert, um ein kreislaufstimulans zu entwickeln und dabei u.a. lysergsäurediethylamid (lsd-25) synthetisiert. da er bei der laborarbeit versehentlich, wahrscheinlich über die fingerspitzen, eine spur davon eingenommen und erstaunliche farbige halluzinationen bekommen hatte, wiederholte er die synthese und entschied sich zu einem selbstversuch. 

am 19. april 1943, der als „bycycle day“ in die lsd-kulturgeschichte eingegangen ist, nahm hoffmann um 16.20 uhr das pulver in der kleinsten für ihn denkbaren wirksamen dosis ein (später stellte sich heraus, dass es sich um das drei- bis fünffache der normalen dosis handelte) und protokollierte den versuch: 

„17:00 Beginnender Schwindel, Angstgefühl, Sehstörungen, Lähmungen, Lachreiz. […] Ich konnte nur noch mit grösster Anstrengung verständlich sprechen, und bat meine Laborantin, die über den Selbstversuch informiert war, mich nach Hause zu begleiten. Schon auf dem Heimweg mit dem Fahrrad […] nahm mein Zustand bedrohliche Formen an. Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel. Auch hatte ich das Gefühl, mit dem Fahrrad nicht vom Fleck zu kommen. Indessen sagte mir später meine Assistentin, wir seien sehr schnell gefahren. […] Schließlich doch noch heil zu Hause angelangt, war ich gerade noch fähig, meine Begleiterin zu bitten, unseren Hausarzt anzurufen und bei den Nachbarn nach Milch zu fragen. […] Schwindel und Ohnmachtsgefühl wurden zeitweise so stark, dass ich mich nicht mehr aufrecht halten konnte und mich auf ein Sofa hinlegen musste. […] die vertrauten Gegenstände nahmen groteske, meist bedrohliche Formen an. Sie waren in dauernder Bewegung, wie belebt, wie von innerer Unruhe erfüllt. Die Nachbarsfrau […] war nicht mehr Frau R., sondern eine bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze. […] Aber schlimmer als diese Verwandlungen der Außenwelt ins Groteske waren die Veränderungen, die ich in mir selbst, an meinem inneren Wesen spürte. Alle Anstrengungen meines Willens, den Zerfall der äußeren Welt und die Auflösung meines Ich aufzuhalten, schienen vergeblich. Ein Dämon war in mich eingedrungen und hatte von meinem Körper, von meinen Sinnen und von meiner Seele Besitz ergriffen. Ich sprang auf und schrie, um mich von ihm zu befreien, sank dann aber wieder machtlos auf das Sofa. Die Substanz, mit der ich hatte experimentieren wollen, hatte mich besiegt. Sie war der Dämon, der höhnisch über meinen Willen triumphierte. Eine furchtbare Angst, wahnsinnig geworden zu sein, packte mich. Langsam kam ich nun wieder aus einer unheimlich fremdartigen Welt zurück in die vertraute Alltagswirklichkeit. Der Schrecken wich und machte einem Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit Platz, je mehr normales Fühlen und Denken zurückkehrten und die Gewissheit wuchs, dass ich der Gefahr des Wahnsinns endgültig entronnen war. Jetzt begann ich allmählich das unerhörte Farben- und Formenspiel zu genießen, das hinter meinen geschlossenen Augen andauerte. Kaleidoskopartig sich verändernd, drangen bunte, phantastische Gebilde auf mich ein, in Kreisen und Spiralen sich öffnend und wieder schließend, in Farbfontänen zersprühend, sich neu ordnend und kreuzend, in ständigem Fluss. Besonders merkwürdig war, wie alle akustischen Wahrnehmungen, etwa das Geräusch einer Türklinke öder eines vorbeifahrenden Autos, sich in optische Empfindungen verwandelten. Jeder Laut erzeugte ein in Form und Farbe entsprechendes, lebendig wechselndes Bild.«

hofmann setzte sich zeitlebens dafür ein, dass seine bewußtseinsdroge zu forschungszwecken legalisiert wird, nannte sie aber auch sein „sorgenkind“, kritisierte ihren gefährlichen massenkonsum in der hippie-ära und ihren missbrauch für militärische zwecke. lsd wurde 1966 in den usa und 1971 in deutschland verboten; seit den 1990er-jahren wird wieder vermehrt damit geforscht, u.a. für den einsatz in der psychotherapie und die behandlung von alkoholsucht und depressionen. das hat albert hofmann sogar noch erlebt, er starb erst 2008 mit 102 jahren.

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